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Lesereise Normandie - der Austernzüchter lädt zum Calvados

Lesereise Normandie - der Austernzüchter lädt zum Calvados

Titel: Lesereise Normandie - der Austernzüchter lädt zum Calvados
Autoren: Picus-Verlag
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Garten beauftragt. »Die haben sich hier ein schönes Leben gemacht«, sagt Florence. Umso mehr gab es bei ihrer Rückkehr zu tun. »Ich habe versucht, alles selbst zu machen.« Im Mai des zweiten Jahres hatte sie noch immer keinen Gärtner gefunden und konnte nachts schon nicht mehr schlafen. »Schließlich fanden wir jemanden«, erzählt sie. Eine Riesenerleichterung. Zugleich konnte sie sich nun noch besser vorstellen, vor welcher Herkulesaufgabe ihre Großeltern 1946 gestanden waren, als sie zu zweit die Restaurierung des zerstörten Anwesens in Angriff nahmen.
    Wie überall in Europa (und über die Grenzen des Kontinents hinaus) gibt es auch in Frankreich keine Familie, deren Geschichte nicht durch den Zweiten Weltkrieg verändert wurde. 1945 musste froh sein, wer mit dem Leben davongekommen war. Auch wenn das Ausmaß der Zerstörung kaum fassbar war.
    Das Ende des Schreckens begann unweit von Nacqueville an der Küste der Unteren Normandie. Am Dienstag, dem 6. Juni 1944, wurde hier mit der Landung der Alliierten Weltgeschichte geschrieben. Kurz nach Mitternacht landen die ersten englischen Fallschirmspringer bei Arromanches und somit weiter westlich als von den deutschen Besatzern erwartet. Über dem Utah Beach springen amerikanische Fallschirmspringer ab. Als es hell wird, greifen elftausend Flugzeuge und sechstausend Schiffe den deutschen Atlantikwall an. Das Bombardement soll den Truppen den Weg ebnen. Fünfundvierzig Minuten später landen sie.
    Dass der Coup für die deutschen Besatzer tatsächlich eine Überraschung war, verdankte sich sorgfältiger Planung. Schon ein Jahr zuvor hatten die Alliierten bei einer Konferenz im kanadischen Québec entschieden, im Frühjahr 1944 in Europa zu landen. Zu letzten Beratungen trafen sich General Dwight D. Eisenhower und Winston Churchill Anfang des Jahres 1944 auf der Halbinsel Rhins of Galloway im äußersten Südwesten Schottlands. Eine am Meer gelegene Jagd-Lodge namens Knockinaam war der Schauplatz ihrer Gespräche. Churchill logierte hier, General Eisenhower wurde unter strengster Geheimhaltung nach Prestwick geflogen und in einem unauffälligen Hotel untergebracht. Das Treffen von Premierminister und ranghöchstem General in dem versteckten Landhaus war eines der bestgehüteten Geheimnisse des Zweiten Weltkriegs, das erst anlässlich eines Inhaberwechsels der Knockinaam Lodge Anfang der neunziger Jahre enthüllt wurde. Churchill und Eisenhower hatten hier keine Zeit für die ländlichen Vergnügungen, für die Lady Hunter-Blair das Haus 1869 hatte erbauen lassen: Jagd, Wanderungen und whiskyselige Wochenenden. Zu intensiv waren sie mit der Feinabstimmung der mit dem Codenamen »Overlord« bezeichneten Militäroperation beschäftigt, die das Ende des Krieges einleiten sollte.
    Ihre Details mussten an die örtlichen Gegebenheiten angepasst werden und zugleich in möglichst eklatantem Widerspruch zu den Erwartungen des Kriegsgegners stehen. So landeten die Truppen in der Nähe der Seine-Mündung und nicht an der Küste von Nord-Pas-de-Calais, wo England Frankreich besonders nahe liegt und die Deutschen am ehesten mit einem Angriff rechnen mussten. Deshalb auch hatten diese die Küste der Unteren Normandie weniger befestigt als jene Nordfrankreichs. Um die Wehrmacht in ihrem Glauben zu lassen, bauten die Alliierten bei Dover eine gewaltige Scheinarmee auf: Panzer und Fahrzeuge aus Sperrholz und Segeltuch, bedient und bewegt von Tausenden Statisten, dazu ein ebenso heftiger wie fiktiver Funkverkehr. Das Ablenkungsmanöver funktionierte: Bis auf wenige, nicht beachtete Ausnahmen fiel die deutsche Generalität darauf herein und konzentrierte ihre Aufmerksamkeit auf einen zu erwartenden Angriff im Norden.
    Schließlich mussten die Gezeiten mitspielen: Da die Deutschen einen Angriff bei Flut erwarteten und die Küsten mit Hindernissen präpariert hatten, mussten die Alliierten bei halber Flut landen. Und damit die Angreifer aus der Luft und vom Meer aus etwas sehen konnten, brauchten sie Vollmond und das Licht des frühen Morgens. Alle drei Bedingungen – halbe Flut nach einer Vollmondnacht im Morgengrauen – kommen nur an wenigen Tagen im Monat zusammen. So fiel die Wahl des Datums auf den 5. Juni mit der Option, das Manöver um einen Tag zu verschieben, was die Wetterlage über dem Ärmelkanal dann auch tatsächlich erforderlich machte.
    Gerade wegen des rauen Wetters rechnete auf Seiten der Deutschen an diesem Morgen niemand mit einem Angriff. So sicher fühlte
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