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Lesereise Normandie - der Austernzüchter lädt zum Calvados

Lesereise Normandie - der Austernzüchter lädt zum Calvados

Titel: Lesereise Normandie - der Austernzüchter lädt zum Calvados
Autoren: Picus-Verlag
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einer Kurve öffnet sich der Blick auf einen breiten Strand. So weit reicht die Bucht, dass sich die Aussicht erst im Dunst des Horizonts verliert.
    Die Vieille Église Saint-Germain, deren Reste sich hier auf einem Plateau über dem Strand erheben, trägt ihren Namen zu Recht. Im 10. Jahrhundert wurde sie erbaut. Einst befand sich hier auch das Dorf Carteret, dessen Bewohner aber wegen der herandrängenden Dünen ins Landesinnere zurückwichen. Saint-Germain, dem das Kirchlein gewidmet war, soll in einem Fass an diese Küste gespült worden sein. Nach der mühevollen Anreise sah er sich der Überlieferung zufolge dennoch dazu imstande, sich zu einer nahen Drachengrotte zu begeben. Deren Bewohner war bereits seit Längerem unangenehm aufgefallen, weil er in jedem Jahr das Leben eines Mannes und einer Frau aus dem Dorf als eine Art Kopfsteuer gefordert hatte. Germain machte ihm den Garaus; die Blutspur des Drachen soll noch immer gelegentlich im Meer zu sehen sein. Von der Kirche haben indessen nur die beiden dem Land zugewandten Mauern überdauert. Durch Fenster- und Türöffnungen schaut man ins grasbewachsene Kirchenschiff und aufs Meer.
    Irgendwann rissen wir uns wieder los vom Blick über den unendlichen Strand, rafften uns auf und wanderten noch ein Stück weiter, bevor wir unseren Wagen ins Binnenland steuerten. Wir hatten nämlich eine Verabredung zum Tee. Mit einigen Butterplätzchen. In der »Maison du Biscuit« in Sortosville-en-Beaumont wird seit 1903 gebacken. Der findige Maxime Burnouf gründete seinerzeit die Bäckerei, die noch heute im Besitz seiner Nachkommen ist – mittlerweile der fünften Generation. Fünfhundert Tonnen Plätzchen werden pro Jahr in der Fabrik hinterm Haus gebacken, das sind eine Million und achthunderttausend Stück. Keine Konservierungsstoffe, nur Butter aus der Normandie, so lautet die eherne Regel für die Herstellung der petits fours financiers .
    Und tatsächlich zergehen sie süß und butterig auf der Zunge. Im Puppenstuben-Café knusperten wir uns durch die anderen Produkte des Hauses: Cookies aux éclats de caramel d’Isigny mit gesalzener normannischer Butter, von Schokolade umhüllte sablés diamants mit Mandelcreme und die doigt de dames , kleine Baisers mit Nusssplittern. Wir begannen zu verstehen, warum jedes Jahr fünfhunderttausend Besucher dieses Café heimsuchen. Ein wenig hat der Ansturm vermutlich auch mit den angeschlossenen Geschäften zu tun, in denen nostalgisches Spielzeug, allerhand Krimskrams sowie kulinarische Spezialitäten aus allen Regionen Frankreichs verkauft werden – mit einem besonderen Schwerpunkt natürlich auf denen aus der Normandie.
    Am Abend fühlten wir uns von unserem Spaziergang auf dem Zöllnerpfad noch immer ausreichend vom Wind durchweht, um uns trotz unserer Plätzchenverkostung am Nachmittag im Hôtel des Ormes in Carteret eine normannische Schlachtplatte zuzutrauen. Auf Schieferplatten wurden luftiges Weißbrot und gesalzene Butter gereicht. Dem folgte ein Arrangement aus Meeresgetier: Austern, Garnelen, Seespinne und Meeresschnecken, dem wir mit allerhand Werkzeug zu Leibe rückten. Als Hauptgang hatten wir Rinderfilet gewählt, das an einer Soße serviert wurde, die vor allem aus Butter und Calvados zu bestehen schien. Zum Abschluss gab es ein Stück ganz leichter Schokoladentorte. Danach mussten wir ein Stück am Meer entlanglaufen, um nicht bewusstlos zu werden. Es war Juni; der Strand lag noch im letzten Licht des Tages. Im Dorf fanden wir eine Bar. Im Fernsehen lief ein Fußballspiel, das die versammelten Herren unterschiedlicher Altersstufen unter Stöhnen, Anfeuerungsrufen und heidnischem Fluchen verfolgten. Wir nahmen zum Espresso einen Calvados und fühlten uns dem Himmel nahe.

Wenn es regnet in der Normandie
Inspiriert wurde der moderne Klassiker unter den Regenschirmen von einem Kassenknüller mit Cathérine Deneuve
    Schuld war Cathérine Deneuve. So entzückend war die bildschöne Zwanzigjährige als verliebte Erbin eines kleinen Regenschirmgeschäfts im Film »Die Regenschirme von Cherbourg«, dass mancher Kinogänger gerne ein Leben im Dauerregen auf sich genommen hätte, wenn ihm dabei nur die mit Schirm bewehrte Französin zur Seite gestanden wäre. Dabei war der melancholische Musikfilm von Jacques Demy an sich nicht geneigt, die Hafenstadt Cherbourg, das Wetter oder auch nur die Liebe sonderlich zu verklären, ging es darin doch um ein schwer verliebtes junges Paar, das unbedingt heiraten will, aber vom
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