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Lesereise Nordseekueste

Lesereise Nordseekueste

Titel: Lesereise Nordseekueste
Autoren: Wolfgang Stelljes
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Netzes werden sie hinten in den Stert hineingedrückt.« Dann löst Tattje die Winde – das Netz verschwindet im kalten Nordseewasser. Knapp zwanzig Minuten gleitet es nun »wie ein Schlitten« über den Meeresgrund, genug Zeit für Tattje, um Wangerooge »von links nach rechts« zu beschreiben. Nun erfährt auch Frau Ort, was es mit dem hohen Backsteinbau auf sich hat: Es ist der Neue Westturm, das Wahrzeichen der Insel, in dem sich eine Jugendherberge befindet.
    Gerd nutzt die Zeit, um das Wasser im großen Kessel am Heck des Schiffes anzuheizen. Dann rattert auch schon wieder die Winde. Der Fang wird an Bord gehievt. Viel ist es nicht, das Wasser ist noch zu kalt. Die besten Fänge hat Tattje nach einem guten Sommer, »durch Wärme entstehen die Krabben ja.« Trotzdem: Es reicht für eine anständige Zwischenmahlzeit. Gerd öffnet eine Schleife am Ende des Netzes und füllt den zappelnden Inhalt in einen Plastikkorb. Und weil ja nur die Krabben in den Kessel sollen, beginnt er auch gleich mit dem Sortieren. Ein Stint wird, bevor er wieder in die kalte Nordsee darf, einigen Fahrgästen unter die Nase gehalten: »Der riecht wie ’ne Gurke. Wer will ihn ins Wasser schmeißen?« Der Junior von Herrn Sondermann übernimmt die lebensrettende Aufgabe. Seestern, Scholle, Steinpicker, auch ihnen bleibt der Kessel erspart.
    Am Ende sind nur noch Krabben übrig. Gerd schleppt den Korb zum Kessel, kippt die Tiere hinein und rührt mit einem kleinen Käscher kräftig um. Es schäumt und dampft. Schon nach kurzer Zeit wechseln die Krabben ihre Farbe. Eben noch waren sie gräulich-silbern, nun werden sie langsam rosafarben. Es dauert nicht lange, und Gerd kann servieren: voilà, die kleinste Speisegarnele der Welt. Doch die Kinder, sonst immer forsch in der ersten Reihe, sind skeptisch. Gerd wendet sich an ihre Eltern: »So frisch kriegen Sie die nie wieder.« Herr Brüderle greift beherzt zu. Nur, wie kommt man ran an den leckeren Kern? »Ungefähr in der Mitte einmal kurz drehen, damit der Panzer aufgeht«, sagt Gerd, »dann am Schwanz festhalten und rausziehen – wohl bekomm’s!«
    Rudolf Geifelhardt, dessen Zustand sich stabilisiert hat, erkennt sofort: »Man braucht Fingernägel und Geschick.« Doch an Letzterem mangelt es ihm noch. Auch Frau Ort muss sich die Frage gefallen lassen, warum in aller Welt sie das Tier so zermanscht? Ein Profi wie Tattje dagegen lässt beim Pulen eine Hand in der Hosentasche – er holt das schmackhafte Fleisch mit den Zähnen raus. Wattkrabben könnte er jeden Tag essen, sagt Tattje. »Ein Stück Schwarzbrot, dick Butter rauf und dann Krabben, das Schwarzbrot darf man gar nicht mehr sehen – das ist ein Essen. Am besten noch mit zwei Spiegeleiern obendrauf.«
    Wenn nur nicht dieser Panzer wäre. Rudolf Geifelhardt will gerade einen weiteren Versuch starten, da gerät die »Jens Albrecht II« doch tatsächlich noch einmal so richtig ins Schlingern – Strömung aus der offenen Nordsee, meint Tattje. Über Bord ist ihm noch nie jemand gegangen, aber dass mal einer über der Reling hängt, das kommt schon vor, vor allem bei Hochseeangelfahrten. »Da haben sie sogar schon Zähne verloren.« Und Herr Geifelhardt? Er wirkt inzwischen erstaunlich sicher, wie er da so breitbeinig auf den Planken steht.
    Punkt fünfzehn Uhr: Gerd macht die Leinen im Hafen von Wangerooge fest. Gleich sechsmal schlägt er das Tau um den Poller, »halb schräg«, ein eigenwilliger Seemannsknoten. Knapp zwei Stunden hat die Fahrt gedauert. Herr Sondermann freut sich auf geräucherten Knurrhahn. Herr Brüderle ist immerhin satt geworden. Und auch Herr Geifelhardt hatte kurz vor dem Einlaufen in den Hafen von Wangerooge noch sein persönliches Erfolgserlebnis – die erste Krabbe, eigenhändig gepult.

Ein Leuchtturm der Kunst
Wie Eske Nannen mit Charme und Charisma die Menschen zur Kunst bringt
    Am Ende eines langen Arbeitstags, die Türen der Kunsthalle sind bereits verschlossen, fragt Eske Nannen noch einmal nach: »Wie viele Besucher waren es heute?« – »Achtundneunzig.« Eine Zahl, mit der die Geschäftsführerin offenbar zufrieden ist, jedenfalls an diesem Allerweltstag im Frühling, an dem keine spektakuläre Sonderausstellung Kunstliebhaber in Scharen nach Emden lockt. »Und sind die Eltern im Haus geblieben?« – »Die meisten ja.« Gemeint sind die Eltern der Kinder, die an diesem Tag ein museumspädagogisches Angebot besucht haben. Denn Kinder und Kunst zusammenzuführen, das ist ihr ein Herzensanliegen.
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