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Lesereise Nordfriesische Inseln

Lesereise Nordfriesische Inseln

Titel: Lesereise Nordfriesische Inseln
Autoren: Kristine von Soden
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Inselbäckerei, die knusprige Biobrötchen namens »Kliffkante« frühmorgens ofenfrisch verkauft, lebt die Stranddistel als Zeichnung fort. Kürzlich krochen vor den Dünenkanten am Kniep gelbe Lilien aus dem Sand. Und es scheint so, als möchte das Steppengewächs bleiben.
    Gleißende Hitze liegt im Hochsommer über Amrums Kniep, wenn der Nordseesand zu Wüstensand wird. Flirrendes Licht. Kein Fleckchen Schatten. Der Wind steht. An manchen Tagen ist es siebzehn Stunden hell. Jedem würde man abnehmen, wenn er von einer Fata Morgana erzählte. Nah am Wasser wirkt das Aerosol wie Meeresspray. Doch nichts geht über ein Bad in der Brandung. Selbst Frostkötel wärmen nach der zweiten, dritten Welle auf. Wollen am Ende gar nicht wieder raus.
    Wenn Ebbe einsetzt und Stunde für Stunde den Meeresboden freilegt, schillern auf dem Kniep braungrüne Girlanden aus Blasentang und die grasgrünen großen Blätter des Meersalats, den man angeblich essen kann. »Nixentäschchen« werden die rechteckigen kleinen schwarzen Eihüllen der Sternrochen genannt. Und unter »Seeseifenkugeln« rangieren die Eiballen der Wellhornschnecke, jene faustrunden Gebilde mit plastikartigen gelben »Erbsen« rundherum, mit denen sich Fischer früher ihre Hände abrubbelten. Manche Strandabschnitte haben die Schalen der Amerikanischen Schwertmuschel für sich gepachtet. Vorsicht! Ihre Ränder sind messerscharf! Dann wieder breiten sich Massen von Herzmuscheln aus, durchmischt von den zerbrechlichen zartrosa Tellmuscheln, Seevogelfedern, angespülten Quallen und Krebsen nebst geknackten Panzern und Scheren. Dabei fallen uns die Helgoländer Knieper ein. Haben sie mit dem Wort »Kniep« zu tun? Nee, auch falsch. »Knieper« ist Helgoländer Friesisch, der Ausdruck für Kneifer, die Scheren der Taschenkrebse. Und diese leben auf Deutschlands einziger Hochseeinsel in Felsspalten und Felsenhöhlen, bis sie im Kochtopf umkommen und als Helgoländer Spezialität mit Curry-, Dill- und Cognac-Tunken verputzt werden. Früher nahmen Helgoländer Hummer diese Rolle ein. Taschenkrebse aßen arme Leute.
    Der Kniepsand von Amrum spricht alle möglichen Naturelle an: Sonnenanbeter und Beachballspieler, Strandwanderer und Surfer, Steppkes, die Löcher buddeln und mit Opa Burgen bauen, Mütter auf AOK -Kur, die ständig rauchen, oder Paare, fünfzig plus, fünfzig minus, synchron joggend, splitternackt in allen Gewichtsklassen und Schönheitskategorien. Unwillkürlich taxiert man da die Vorzeigestücke männlicher Pracht, die ihre Zurschaustellung meist apathisch über sich ergehen lassen. Dennoch ist man wieder on top, was der Markt so zu bieten hat. Brüste sind keine Hingucker mehr. Mediale Dauerenthüllungen haben ihren Reiz gestohlen.
    Für uns ist Europas größter Strand eine Sehnsuchtslandschaft – zum Innehalten, den Duft der Dünenrosen inhalieren, Spuren im Sand lesen, dem Ruf der Möwen zuhören, wie sie lachen, wie sie weinen, schimpfen, trauern. Ob die Schöpfung am Kniep auf Amrum ihren Ausgang nahm?

Kult und immer ausverkauft
Die Dia-Abende von Georg Quedens
    Wirkliche Amrumliebhaber kennen sie alle. Und besuchen sie immer wieder. Weil sie zur Insel und zur Inselgeschichte dazugehören wie Ebbe und Flut und die ankommenden und ablegenden Fährschiffe. Die Themen sind seit ewigen Zeiten dieselben, ebenso der Beginn um zwanzig Uhr und die Veranstaltungsorte Norddorf, Nebel, Wittdün. Manch ein Foto wird aktualisiert, tauscht Georg Quedens aus. Und das wirkt, als würde eine Geschichte, die man Zeile für Zeile fast auswendig kennt, plötzlich anders vorgelesen. Gar nicht auszudenken, wenn es die Dia-Abende nicht mehr gäbe! Durch nichts und niemanden wäre die entstehende Lücke montags, dienstags, mittwochs zu schließen! »Amrum in der guten alten Zeit«, »Nordsee – Mordsee«, »Amrums Vogelwelt«, »Badeleben anno dazumal«, und wie die Abende alle heißen, sind Kult und immer ausverkauft. Doch an Aufhören denkt Insel-Urgestein Georg Quedens Gott sei Dank nicht. Ruhestand? Für ihn ein Fremdwort. Als Amrums Naturschutzbeauftragter, Inselchronist und Autor einer wahren Nordfriesland-Bibliothek (jedes Buch, jeden Aufsatz auf der Schreibmaschine getippt!) hat er reichlich zu tun. Tapetenwechsel? Abschalten? Brauche er nicht, meinte er noch 1999 in einem Filmporträt über sich. Daran hat sich nichts geändert. Mallorca? Malediven? Thailand? Der ganze neumodische Kram interessiert ihn nicht. Das Schlimmste wäre vermutlich all inclusive mit
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