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Lesereise Nordfriesische Inseln

Lesereise Nordfriesische Inseln

Titel: Lesereise Nordfriesische Inseln
Autoren: Kristine von Soden
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Geschichte Nordfrieslands, die immer auch eine Geschichte Schleswig-Holsteins war und ist, hat es nämlich in sich. Ist verknotet wie ein dickes Schiffstau. Geeignet für zitatfeste Dissertationen. Und nur zu verdauen, wenn man ernsthafte Ambitionen besitzt, sich in die Untiefen der verwirrend vielen Verwaltungsformen sowie wechselnden Landesherren und Landesteilungen zu begeben und mehr als bloß grobe Eckdaten wie die Erstürmung der Düppeler Schanzen zu hören. Bei den jahrhundertelangen Auseinandersetzungen zwischen der dänischen Krone, die uns in Nordfriesland auf Schritt und Tritt begegnet, den Herzögen, mal von Gottorf, mal von Schleswig, mal von Lauenburg, Preußen, Österreich und noch lange nicht am Schluss dem zaristischen Russland, kann man schnell durch’n Tütel kommen. Denn auch Kontrahenten wie Koalitionen drehten sich wie der Wind. Erst als sich Preußen 1867 ganz Nordfriesland einverleibte, womit Kopenhagen hier ein für allemal nichts mehr zu melden hatte und auch Österreich in die Flucht geschlagen worden war (obwohl es noch 1864 mit seinen k. u. k. Jägerbataillonen zum Beispiel auf Föhr als »Besatzungsmacht« fungiert hat), wurde die Lage übersichtlich. Das bedeutete allerdings nicht, für jeden auch schön. Zu den Waffen griffen die Friesen übrigens nie. Sie sind auch nie unter ihrer Fahne mit dem blau-rot-gelben Friesenwappen, »Freiheit« grölend über die Deiche marschiert. Fuchtig können sie allerdings werden, wenn man ihnen schräge kommt.
    Am 11. November 2004 trat eine Wende in der friesischen Zeitrechnung ein, als der Kieler Landtag das »Friesisch-Gesetz« verabschiedete. Hinter den drögen Paragraphen steckte die Absicht, die schillernde friesische Sprache lebendig zu halten. Seitdem wurde im platten Land mit dem Wahlspruch: Rüm Hart – Klaar Kiming , Weites Herz – Klarer Horizont, vieles zweisprachig bestückt, vor allem Ortsnamen und Gebäude wie zum Beispiel das Finanzamt der Region, das Stüüramt Nordfriislon.
    Friiske böke , friesische Bücher, gibt es mehr und mehr auf dem Markt – ernste, heitere oder solche zum Spracherwerb. Ein Knüller seit 2010: der Friisk Funk im Offenen Kanal, täglich morgens ab acht Uhr auf 96.7 MHz: Radioo önj än frasch kamt rüt , Radio an und Friesisch kommt raus, so die Werbung für das Projekt, das Nachrichten, Musik und Kultur über den nordfriesischen Äther schickt.
    Wer Englisch kann, das der Mundart der Friesen nähersteht als Deutsch, lernt Friesisch wie im Schlaf. Empfehlenswerte Bettlektüre: Snaak friisk! Siebenhundertsiebenundsiebzig häufig benutzte Vokabeln stehen in diesem alltagspraktischen Lexikon. Zum Beispiel Sommersprossen, Amrumer Friesisch: friaknang , Föhrer Friesisch: friiken , Englisch: freckles .
    Herzlich willkommen! Welcome! Hartelk welkimen!

Stiller Empfang bei den Deichgrafen
Mit wolliger Neugier begrüßen Schafe die ankommenden Gäste
    Es zieht sich noch eine ganze Weile hin, sobald man hinter Heide/Holstein auf der Höhe von Husum angekommen ist – der Stadt »am grauen Strand, am grauen Meer«, wie uns der Schriftsteller und Advokat Theodor Storm über seinen Geburtsort eingebläut hat. Düsternis und Nässe fällt vielen Menschen als Erstes und Einziges ein, wenn sie von der Gegend hier hören, wobei zwischen jenen zu unterscheiden ist, die die leidvolle Erfahrung gesammelt haben, dass sie sich für den Norden nicht eignen, und dem nicht unerheblichen Rest, der gar nicht weiß, wo Schleswig-Holstein anfängt und aufhört, ganz zu schweigen von Nordfriesland, trotzdem aber über die meteorologischen Zustände quakt. Stimmt: Immerblauen Himmel, immerwarmes Wasser, immer Sonne, immer gut drauf – das gibt es nicht. Selbst an lauen Frühlingstagen, wo andere mit coolen Drinks last Minute unter Palmen an Pools abhängen, muss man im Norden noch mit dem Schlimmsten rechnen: nassen Füßen, Gischt im Gesicht, Windböen, die einen umhauen, Hunden, die nicht nach Hause wollen, weil sie in der großen Freiheit am Strand durchdrehen. Und wenn dann womöglich noch Dauerregen naht, sitzt man in der Bude, säuft Grog und flüstert leise die Verse unseres Küstendichters, der da stets »des gärenden Schlammes geheimnisvollen Ton« hörte, »einsames Vogelrufen – so war es immer schon«.
    War es immer schon? Nicht für uns. Wir sehen das ganz anders.
    Nach Husum führt die B 5 an Bredstedt vorbei, wo in den Räumen der alten Volksschule das international renommierte Nordfriisk Instituut residiert, das
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