Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Lesereise Nordfriesische Inseln

Lesereise Nordfriesische Inseln

Titel: Lesereise Nordfriesische Inseln
Autoren: Kristine von Soden
Vom Netzwerk:
dass die verwendeten Zusätze einen üblen Geruch verströmten. Dumm gelaufen. Für die »yellow oilskin rainwear lovers«, einen undefinierbaren Öljacken-Club, auf den wir per Zufall im Internet stießen, dennoch Grund genug zum Feiern: »The Friesennerz is celebrating its 250th birthday this year!« 1997 war das. Aber warum nun der Friesennerz Friesennerz heißt, wussten wir noch immer nicht. Und um es vorwegzunehmen: Das Geheimnis lüftete sich auch nicht. Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit können wir indes sagen, dass ein gewisser Charles Mackintosh, geboren zu Glasgow, Beruf: Chemiker, 1823 als Vater der imprägnierten Regenkleidung bezeichnet werden darf. In diesem denkwürdigen Jahr machte jener Schotte die epochale Entdeckung, dass man textiles Gewebe mit naphtabehandeltem Gummi beschichten kann. Das Label »Mackintosh« ging in Serie, wurde zum Synonym für Regenschutz und: roch nur noch nach Gummi. Endlich wurde dem legendären »scottish weather« die Stirn geboten, aber auch launischen Schauern und Wolkenbrüchen andernorts wie an der Küste Nordfrieslands.
    Ostfriesen, wie hier und da gewitzelt wird, haben den Friesennerz nicht geschneidert. Er stammt aus Dänemark, wo ihn 1968 Jan E. Ansteen Nielsson entwarf und produzierte. Der Sportbekleidungsunternehmer hatte sich auf wetterfesten Schutz für Segler und Fischer spezialisiert. Und weil Gelb die Signalfarbe auf See ist, bekam auch der Friesennerz diesen »Anstrich«. Ebenso der obligatorische »Südwester«. In Deutschland fand beides reißenden Absatz.
    Ständige Produktverbesserungen brachten immer neue »Waterproof«-Materialien hervor. Bis Ende des 20. Jahrhunderts das Wörtchen »atmungsaktiv« die Verbraucher erschütterte und alles bis dahin Gewesene mit Windstärke zwölf hinwegfegte. Nichts war mehr wie vorher. Staunen und Verunsicherung machten sich breit. Und der Friesennerz, der auf ganze Küstenstreifen identitätsstiftend wirkte und Generationen von Nordseetouristen so etwas wie ein »Wir-Gefühl« vermittelte, hatte ausgedient. Goretex marschierte nun am Strand. Optisch austauschbar. Beliebig im Design. Oft grottenhässlich, discountverdächtig – aber auch sauteuer, wenn es eine Markenklamotte war. Zum Imperativ für untendrunter wurde »Funktionsunterwäsche« statt bloßer Baumwolle von Heinzelmann und Schiesser, damit Schweiß in Form von Wasserdampf nach außen entweichen kann. Mit solcher Klimaanlage konnte der Friesennerz in der Tat nicht konkurrieren. War auch nicht sein Anliegen. Updates, um wettbewerbsfähig zu bleiben, standen nie zur Diskussion. Warum auch?
    An tragische Notfälle nach dem Motto: »Tod im Friesennerz« können wir uns nicht erinnern. Haben auch nie von Herzattacken, asthmatischen Anfällen oder lebensbedrohlichen Schweißausbrüchen gehört, die mit dem Nichtvorhandensein einer »mikroporösen Beschichtung« ärztlicherseits begründet worden wären. Jeder fühlte sich in den Öljacken wohl – vom Rentner bis zum Nachwuchs im Bollerwagen. Und es sah ästhetisch schön aus: An einem verregneten Nachmittag lauter gelb, dunkelblau oder kirschrot leuchtende, mit Wasserperlen besetzte Friesennerze vor der Kulisse von schaumgekrönten Wellen. Schietwetter ? Kein Problem. Und wenn man sein Soll erfüllt hatte, zum Beispiel um die Amrumer Nordspitze (soweit es der Naturschutz erlaubt), von Westerland nach Rantum oder von Wyk zum Goting Kliff (inzwischen fast vollständig vom Sturm geraubt), war klar: jetzt eine Friesentorte!
    Im Unterschied zum Friesennerz, der aus den Inselsportgeschäften spurlos verschwunden ist, lebt jene Verführung aus fünfhundert Gramm Pflaumenmus und siebenhundertfünfzig Gramm frischer Schlagsahne zwischen drei Blätterteigböden ungebrochen fort. Der vierte Boden wird traditionell in zwölf Stücke geschnitten, die leicht angeschrägt wie Flügel einer Windmühle den Gaumengenuss verzieren. Für Laien oft ein Rätsel, wie dieses friesische Gesamtkunstwerk in den Mund zu befördern ist. Nur Mut. Jeder findet seinen Weg – mit oder ohne Kuchengabel.

Unter der roten Laterne
Möwenblick vom Amrumer Leuchtturm
    »Abendkarten? Für Donnerstag? Alle schon weg!« Und mehr als fuffzehn Leute nehme er auf keinen Fall mit, sagt der Mann an der Kasse, sonst werde es in der Turmspitze zu eng. Denn das Besondere sei ja die Fresnel-Optik, die Besuchern normalerweise nicht zugänglich ist. Ihr Wert wurde unlängst auf fünf Millionen Euro geschätzt. Ein hübscher Lottogewinn.
    Der Mann
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher