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Lesereise Malediven

Lesereise Malediven

Titel: Lesereise Malediven
Autoren: Stefanie Bisping
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und bald darauf auch Hithadhoo. Im Meer liegen kleine, unbewohnte Inseln, die die Einheimischen für Picknicks nutzen. Am Nordufer sehen wir die Begleiterscheinungen der zivilisatorischen Errungenschaften der Inselkette: Dutzende leerer Plastikflaschen und reichlich angeschwemmten Müll.
    Wir stellen die Räder ab, sinken in die Sitze des Bootes, das hier auf uns gewartet hat, und wischen uns mit gekühlten, nach Jasmin duftenden Tüchern den Schweiß aus Gesicht und Nacken. Mit dem Speedboat sind es nur acht Minuten Fahrt bis Villingili: einer Malediven-Insel ohne Autos und ohne Mopeds, aber mit siebzehntausend Palmen.

Im Korallengarten
Sind die Riffe noch zu retten? Die Transplantation von Korallen lässt es hoffen – solange das Meerwasser nicht zu warm wird
    Das Christkind war schuld. So schien es zumindest, als im Jahr 1998 in Folge des Klimaphänomens mit dem schönen Namen El Niño auf den nördlichen Atollen der Malediven über neunzig Prozent der Korallenbestände in einer Wassertiefe bis zu fünfzehn Metern vernichtet wurden. In Wahrheit war natürlich alles anders. Das Christkind hatte mit der Katastrophe nichts zu tun. Zwar tritt die Verkehrung der Meeresströmungen immer wieder zu seiner Hauptarbeitszeit auf, ansonsten hatte die Erscheinung jedoch nichts Harmloses. Auf drei Vierteln des Planeten schlug das Wetter Kapriolen. Der Indische Ozean erwärmte sich so stark, dass plötzlich auch in Europa jeder wusste, dass das Christkind nicht nur schöne Geschenke bringt. Die Korallenbleiche fiel wesentlich dramatischer aus als in anderen Jahren. Und das erklärt sich so: In tropischen Korallen leben Algen, die ihre Wirte mit Energie versorgen. Diese Algen vertragen keine Wärme. Geraten sie ins Schwitzen, stellen sie Gifte her, die die Korallen absterben lassen. Deshalb kündigen diese die Symbiose und stoßen die Algen ab. Übrig bleibt nur ihr weißer Kalkmantel – und die Koralle stirbt trotz ihres suizidalen Rettungsversuchs. Thomas Le Berre seufzt. »So einfach ist das«, sagt der französische Küsteningenieur. »Und so kompliziert.« Denn Riffe bestehen aus Skeletten von Steinkorallen, die sich im Lauf von Jahrhunderten aufgebaut haben. Sie stellen den Lebensraum für fünfundzwanzig Prozent aller Arten maritimen Lebens – darunter nicht wenige, die auch der Mensch zu sich nimmt. Doch nur, solange sich lebende Korallen auf den gewaltigen Strukturen befinden, finden diese Arten Nahrung. Keine Korallen bedeuten keine Fische und keine intakten Riffe. Und keine Riffe bedeutet: keine Malediven. Denn Riffe schützen die flachen Inseln vor Monsunstürmen, die an ihren Küsten nagen, bis nichts mehr übrig ist. Die sechsundzwanzig Atolle der Malediven sind nicht vulkanischen Ursprungs, sondern sind Koralleninseln. Korallen sind nichts Geringeres als das Fundament des Inselreichs.
    Auch mehr als ein Dutzend Jahre nach dem unerfreulichen Weihnachtsbesuch ist die saisonale Erwärmung des Meeres ein Problem. Aber eines, für das Lösungen gesucht werden. Thomas Le Berre demonstriert seinen Ansatz. Er fischt ein Stück Koralle aus einem Eimer, setzt es auf ein eisernes Gestell und legt mit der anderen Hand ein Plastikband um Koralle und Gestell, das er durch eine Lasche zieht. Die Nächste, bitte. Schwierig ist es nicht, Korallen zu transplantieren – zumindest, wenn man sich auf die ausführenden Handgriffe beschränkt. Deshalb dürfen sich auch Amateure beteiligen. Nach zehn Minuten haben Thomas, zwei junge Meeresbiologen aus Spanien, die hier ein Praktikum absolvieren, und eine Urlauberin aus Japan, die den Korallenrahmen gespendet hat, sämtliche Ableger der Arten Acropora austera und Montipora foliosa am sechseckigen, nach oben schmal zulaufenden Stahlgerüst befestigt. Einer der Praktikanten greift es, trägt es zum Steg und lässt es unzeremoniell ins Wasser platschen. Dort liegen bereits einige Hundert Korallenrahmen. »Reefscapers«, die Riffgärtnerei des Four Seasons Resorts auf Landaa Giraavaru im Baa-Atoll, wurde von Thomas Le Berre ersonnen und vom Resort umgesetzt. Die älteren Rahmen sind von bunten Fischen umschwärmt und unter ihrem dichten Korallenbewuchs kaum mehr zu erkennen.
    Le Berre will bei der Arbeit im Korallengarten sämtliche negativen Nebenwirkungen ausschließen. Denn auch von den besten Intentionen geleitete Maßnahmen bedeuten Eingriffe in die Natur mit nicht immer vorhersehbaren Folgen. Das Material für die Rahmen kommt aus nicht allzu weiter Ferne, nämlich aus Indien.
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