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Lesereise Kanarische Inseln

Lesereise Kanarische Inseln

Titel: Lesereise Kanarische Inseln
Autoren: Claudia Diemar
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der Kapelle und erklärt mit freundlichem Lächeln, man solle sich das Abschließen des Autos doch ersparen. Nicht einmal die Haustüren würden auf El Hierro bei Abwesenheit verriegelt.
    Für die Besucher ihrer von der UNESCO zum Biosphärenreservat ernannten Insel haben die herreños überall herrlich gelegene Aussichtsterrassen gebaut. Miradores nennen sich diese Panoramapunkte, von denen sich spektakuläre Blicke auf Berge und Küsten auftun. Der schönste Ausguck ist der Mirador de la Peña oberhalb von El Golfo, geschaffen vom kanarischen Künstler César Manrique. Im Restaurant aus Lavagestein mit riesigen Glasfronten kann man sich frischen Atlantikfisch schmecken lassen.
    Von der einstigen Bedeutung Hierros kündet
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der einsam im Westen gelegene Leuchtturm Faro de Orchilla, wo bis zum Ende des 19. Jahrhunderts der Nullmeridian verlief, bevor er nach Greenwich verlegt wurde. Am 3. Oktober 1493 trug Kolumbus auf seiner zweiten Amerikafahrt ins Logbuch ein: »Punta de Orchilla – das letzte Zeichen der europäischen Welt.« Jeder Besucher, der den einst von Ptolemäus definierten Punkt erreicht und dies vor der Abreise im Flughafen der Dame von der Touristeninformation glaubhaft versichert, erhält ein schmuckes Diplom mit Datum, Unterschrift und Siegel für diese Leistung.

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Angie, Capitano Claudio und die teuerste Cafeteria der Welt
La Gomera einst und heute
    La Gomera vor einer Generation, in den Zeiten des handyfreien Hippietourismus: Wer die Bergwelt des Eilands erobern will, muss dies nach Pfadfinderart tun. Markierungen und Wegweiser gibt es praktisch keine. Vier Wanderer verirren sich heillos im Lorbeerwald. Es beginnt zu regnen, Nebel kommt auf, die Dämmerung fällt. Irgendwann sieht die Gruppe ein Licht. Ein hellrot leuchtendes dazu. Das diskret einsam gelegene Anwesen mit roter Laterne stellt sich als Inselbordell heraus. Dort aber sind Schlammschuhe und Waldläufer wenig willkommen. Das Telefonat nach einem Taxi wird glatt verweigert. Und die Gruppe tappt weiter tapfer durch die Nacht.
    Dreißig Jahre später ist alles anders. Das Hurenhaus La Carbonera gibt es nicht mehr. Die versammelte Frauenwelt von Hermigua hat es eines schönen Tages kurz und klein geschlagen. Verlaufen ist auf La Gomera auch fast unmöglich geworden. Die Wanderwege sind penibel markiert, und Wegweiser finden sich auf Schritt und Tritt. Die Inselverwaltung Cabildo de La Gomera hat sogar eine kostenlose »Mapa de Senderismo«, also Wanderkarte, drucken lassen, die überall erhältlich ist. Insgesamt
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zwanzig Trekkingtouren sind darin verzeichnet, nach Schwierigkeitsgraden von ein bis drei Sternen eingeordnet, Gehzeiten sowie Höhenmeter auf und ab exakt ausgewiesen. Recht so! Denn La Gomera ist keine Badeinsel. Allenfalls ein paar Buchten mit einer Mischung aus schwarzem Sand und Basaltbrocken bieten Zugang zum rauen Atlantik. Der Nationalpark Garajonay wurde 1986 von der UNESCO zum Weltkulturerbe erklärt und dehnt sich über die gesamte Inselmitte aus. Heute sind hier allerdings kaum noch Hippies in Sandalen unterwegs, sondern vor allem Best Ager in Funktionsklamotten und Bergstiefeln.
    La Gomera vor einer Generation: Man wohnte in spartanischen Privatquartieren im Valle Gran Rey, dem »Tal des großen Königs«, das man kurzerhand zum valle abkürzte. In der »Schweinebucht« hinter dem Hafen kreisten die Joints, wurde getrommelt und geflötet. An der Playa del Inglés machte die Guardia Civil Jagd auf blanke Busen. Hinterm Strand residierte der deutsche Zahnarzt Müller und machte mangels Konkurrenz sämtlichen Inselsenioren Gebisse. Es gab keinen Bankautomaten und nur eine einzige Wechselstube. Als sich die Kassiererin eines Tages mit dem Umtauschkurs verrechnete und stundenlang viel zu viele Peseten für die DM -Scheine herausgab, machte das Malheur am Abend in den Kneipen die Runde. Die ewig klammen Alternativtouristen standen am Tag darauf Schlange, um das Geld zurückzugeben. Am »Baby-Beach« hatte ein Fischer ausgediente Kabeltrommeln als Tische aufgestellt und servierte fangfrisches Meeresgetier.
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Die Teller waren so beladen, dass man sie nur zu zweit leer essen konnte. Bei María gab es für eine Handvoll Peseten zum Sonnenuntergang den Campari auf wackligen hölzernen Klappstühlen.
    Die Casa María gibt es immer noch, aber eine seidenglatt asphaltierte Straße schneidet ihr den direkten Zugang zum Strand ab und die Getränkepreise haben beinahe mitteleuropäisches Niveau. Überall im valle
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