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Lesereise Kanarische Inseln

Lesereise Kanarische Inseln

Titel: Lesereise Kanarische Inseln
Autoren: Claudia Diemar
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sind Appartements und Boutique-Hotels entstanden. Aber nach wie vor ist der Hafen mit seinem kleinen Sandstrand der beste Platz zum Schwimmen.
    Nur einen Steinwurf entfernt liegt die Redaktion des Valle-Boten . Der Untertitel erklärt, worum es geht: »Das ultimative Insel-Magazin. Unabhängig. Überparteilich. Abgedreht«. Capitano Claudio ist der Herausgeber der seit 1992 erscheinenden deutschsprachigen Publikation. Claus Heinrichs heißt er mit bürgerlichem Namen, kam 1985 als Segler nach La Gomera und blieb hier hängen. Das professionell gemachte Inselmagazin erscheint zum Preis von zwei Euro fünfzig oder fünf Kaurimuscheln etwa vierteljährlich. Auf den ersten Blick scheint es an beteiligten Journalisten nicht zu mangeln. Professor Herbert Scheuermann ist für die Wissenschaft zuständig. Eva-Maria Hurrlemann-Spiegelberg kümmert sich um Frauenthemen. Señor Erwin Kaczmarek »erklärt dich die Insel«. Hinter allen Namen steckt niemand anderes als Capitano Claudio höchstselbst, der Mann mit dem schlohweißen Haar, der Touristen nur raten kann: »Nicht den Alemanotten heraushängen lassen!«
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Wenn gerade nichts los ist in seinem Laden, sitzt Capitano Claudio gegenüber in der Bar bei Kaffee und Kippe. In Sachen Inselgeschichten ist er der beste Fundus überhaupt. Wie die vom »Kolumbushaus« am Hafen. Der Erbauer hatte die letzten Meter zum Hafenweg nicht mitgekauft, weil er sicher war, dass auf dem knappen Streifen niemand mehr etwas hochziehen würde. Es kam anders. Drei Meter vor den Balkons ragte bald ein anderes Gebäude auf, und der »Gomera 2000«-Appartementkomplex war wertlos geworden. Sein Bauherr bekam einen Herzinfarkt.
    Das kann Claus Heinrichs alias Capitano Claudio so bald nicht passieren. Er ist mittlerweile über siebzig, aber gut in Form vom täglichen Schwimmen nach dem Mittagessen mit seiner spanischen Frau. Wenn er sich abreagieren muss, haut er in die Tastatur. Und er ist ein begnadeter Schreiber. Vor nichts und niemandem macht sein Spott halt. Auch nicht vor lokalen Größen wie der Reederfamilie Olsen, die ihren Reichtum darauf begründet, dass sie einst bettelarme Insulaner als Auswanderer nach Südamerika schipperte und ihnen zur Finanzierung der Passage für billig Geld die Grundstücke abkaufte. So jedenfalls erklärt es der Capitano. Eines seiner Lieblingssujets ist Gomeras Flughafen, im Volksmund bekannt als »teuerste Cafeteria der Welt«.
    La Gomera vor einer Generation: Wer hin wollte, landete mit dem Flieger in Teneriffa-Süd, nahm den Bus oder teilte sich ein Taxi für die Viertelstunde Fahrt zum Hafen von Los Cristianos, wo der Bananendampfer Richtung San Sebastián ablegte. Heute
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kommen die Touristen mit der Schnellfähre. Aber die Anreiseprozedur ist im Prinzip die gleiche geblieben, nämlich der Seeweg. Praktisch niemand reist über den Aeropuerto de La Gomera mit dem IATA -Kürzel GMZ an. Für Unsummen vor einigen Jahren in das Inselterrain gezwungen, heben hier gerade einmal vierzehn Flüge wöchentlich ab. Sie steuern ausnahmslos den Regionalflughafen Teneriffa-Nord an, weil die Start- und Landebahn für große Maschinen zu kurz ist. Es gibt inzwischen auch keine Fluglotsen mehr. Alles wird automatisch per AFIS -System abgewickelt, das hier erstmals in Spanien zum Einsatz kam.
    Der Flughafen ist aber sehr schön. Er hat eine Fassade aus fein poliertem einheimischen Tosca-Stein und schwarzem Glas. Drinnen stehen Palmen in Kübeln, und ein maurisch anmutendes Brunnenbecken zieht sich als grelltürkiser Pool durch die klimatisierte Halle. Mittendrin findet sich die Cafeteria mit schicken cremeweißen Sesseln, von denen die wenigstens besetzt sind. Wer bei Sommerhitze einen ruhigen Platz zum Lesen oder Arbeiten sucht, ist hier an der richtigen Adresse. Sichere Parkplätze vor der Tür gibt es auch in großer Zahl. Draußen paradiert nämlich im Zeitlupenschritt ein Polizist. Drinnen erschrickt sich die Dame am Schalter, als sie ein auf Deutsch ausgedrucktes online-Ticket vor sich sieht. Niemand weiß so recht, wofür der stark defizitäre Flughafen gut ist.
    Vielleicht hat ihn ja Angela Merkel benutzt, als sie im feinen Hotel Jardín Tecina in Playa de Santiago urlaubte. Denn La Gomera ist die Lieblingsinsel
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der deutschen Kanzlerin. »Angie« war erst kürzlich da, nur mit Ehegatten und zwei Bodyguards unterwegs zwischen Lorbeer, Erikabäumen und Riesenfarn. Was sie hier suchte? Nichts als Ruhe und Natur. Weite Teile des Eilands sind noch immer ohne
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