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Lesereise - Israel

Lesereise - Israel

Titel: Lesereise - Israel
Autoren: Gil Yaron
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freien Blick auf seine muskulösen Beine zulassen, setzt auf Aktivismus und Abschreckung. In seinem Nachtschränkchen bewahrt er eine Pistole auf. Beide glauben fest daran, dass allein der Friedensprozess den Palästinensern Flausen in den Kopf gesetzt und so zum Zusammenstoß geführt habe. Vorher habe man friedlich zusammengelebt.
    Eines Tages, so hoffen Goldschmidt und Brand, werden ihre Siedlungen so erfolgreich sein wie die Stadt Ariel, mit achtzehntausend Einwohnern eine der größten Siedlerstädte mitten im Westjordanland. Sie hat heute ein halbes Dutzend Schulen, vierzehn Synagogen, drei Supermärkte, ein Hotel mit Schießstand, ein Schwimmbad und einen Minigolf-Parcours. Zwei Sicherheitsbeamte mit Maschinenpistolen bewachen die Einfahrt in die Stadt, aber innen säumen friedliche, baumbestandene Alleen die schmucken Häuser. Das »Universitätszentrum Ariel« auf dem höchsten Berg der Umgebung bildet inzwischen in vier Fakultäten rund elftausend Studenten aus. Trotz aller Friedensgespräche, die einen Baustopp und teilweise sogar die Räumung Ariels vorsehen, ist Professor Jigal Cohen Orgad, Rektor des Zentrums, klar, dass seine Universität in »Judäa und Samaria« Zukunft hat: »Wir arbeiten am Plan für das Jahr 2020. Bis dahin werden wir zwanzigtausend Studenten haben.«

Der arabische Siedler
Ein junger Araber in der Siedlung Ariel beweist, dass Stereotype nicht ausreichen, um den Nahostkonflikt zu umschreiben
    Der junge muskulöse Mann spricht akzentfrei Hebräisch, hat einen israelischen Pass, lebt in der Siedlung Ariel und zählt Siedler zu seinen Freunden. Wie viele Israelis glaubt er, dass die Palästinenser selbst für ihre Misere verantwortlich sind. Der fünfundzwanzig Jahre alte Soziologiestudent könnte einfach nur ein typischer israelischer Siedler sein: jüdisch, nationalistisch, ideologisch motiviert. Aber sein Name ist Muhammad Nasrallah, und er ist ein muslimischer Araber aus dem israelisch-arabischen Dorf Kalansua.
    Den Beweis dafür, dass die Juden einen Anspruch auf Palästina haben, findet Nasrallah bereits im Koran, dem heiligen Buch der Muslime. »Selbst im Koran steht ja, dass das Land den Juden gehört«, sagt Nasrallah. Der einundzwanzigste Vers der fünften Sure zitiert eine Rede Moses’ an die Juden: »O mein Volk, betretet das Heilige Land, das Allah für euch bestimmt hat.« Nasrallah, ein islamischer Zionist. Gleichzeitig befürwortet der arabische Siedler die Gründung eines Palästinenserstaats: »Wenn es Frieden geben soll, müssen alle Siedlungen geräumt werden. Das alles kommt eines Tages hier weg«, sagt er und zeigt von seinem Wohncontainer aus mit einer ausschweifenden Bewegung seines rechten Armes auf die funkelnden Lichter der Siedlerstadt Ariel mit ihren achtzehntausend Einwohnern.
    Nasrallahs Wohncontainer sieht aus wie unzählige Wohnungen anderer israelischer Siedler im besetzten Westjordanland. Der rostbraun angestrichene Metallkasten steht auf dem Gelände der größten Lehreinrichtung der Siedler, dem Universitätszentrum Ariel. Ständig schauen Studenten bei Nasrallah vorbei. Hier können sie ihre Probleme besprechen oder einfach nur den Abend verbringen. Vor dem großen Plasmabildschirm machen es sich ehemalige Soldaten neben Wehrdienstverweigerern bequem, Nationalisten treffen auf israelische Araber und rauchen gemeinsam eine Zigarette nach der anderen.
    Nasrallah genießt im Gegensatz zu den anderen Studenten ein seltenes Privileg: Er wohnt allein in seinem Container, schließlich arbeitet er für die Universitätsleitung. An die vierhundert Araber aus Israel studieren und wohnen in Ariel, eigentlich eine Hochburg nationalreligiöser Siedler. »Besonders arabische Frauen fühlen sich bei uns wohl, weil sie von den Männern respektiert werden«, sagt Nitza Davidovic, Studienleiterin in Ariel. Trotzdem kommt es manchmal zu Spannungen. Dann spielt Nasrallah die Rolle des offiziellen Vermittlers: »Ich kann arabischen Studenten Dinge sagen, die einen Aufruhr auslösen würden, wenn sie von einem Juden kämen«, erklärt er. Würde beispielsweise ein Sicherheitsbeamter einen arabischen Studenten auf das Rauchverbot in den Hörsälen hinweisen, »würde der das so interpretieren, als diskriminierte man ihn, nur weil er Araber ist. Wenn ich ihm hingegen etwas sage, macht er einfach die Zigarette aus.«
    Wie viele arabische Bürger Israels lebt Nasrallah in zwei Welten. Er hat jüdische Freunde, vergisst aber nie, dass er Araber ist. Viele der rund
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