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Lesereise - Inseln des Nordens

Lesereise - Inseln des Nordens

Titel: Lesereise - Inseln des Nordens
Autoren: Barbara Schaefer , Rasso Knoller
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heute sichergestellt, dass auch alte Menschen, Witwen und Bedürftige versorgt werden. In früheren Jahrhunderten waren die Walfleischrationen für Menschen, die sich nicht mehr selbst versorgen konnten, überlebenswichtig. So gesehen ist der Walfang auf den Färöern eines der ältesten Sozialsysteme der Welt.
    Doch trotz des sozialen Aspekts lässt das gruselige Spektakel die Emotionen hochkochen. Internationale Walschutzorganisationen greifen die Färöer massiv an. Fünfzehn bis zwanzig Protestschreiben treffen täglich im Büro des Ministerpräsidenten ein, sagt dessen Sekretärin. »Wenn aber irgendeine Umweltschutzorganisation eine Aktion gegen uns startet, sind es viel mehr.« Der Pressesprecher ergänzt: »Manche drohen auch damit, die Färöer nicht mehr zu besuchen.« Und er fährt schmunzelnd fort: »Das hätten die meisten aber sowieso nicht gemacht.« Von Boykottmaßnahmen sei man kaum betroffen, dazu exportiere man einfach zu wenig, und viele färöische Waren sind im Ausland ohnehin nicht als solche erkennbar. Es passiere aber schon, dass Tierrechtsorganisationen zum Kaufverzicht von dänischen Waren aufrufen. Der Pressesprecher schmunzelt erneut und will damit wohl andeuten, dass ein solcher Boykott den Falschen trifft. Dänemark hat wegen der färöischen Autonomie keine Mitspracherecht, was den Walfang betrifft, und hätte auch keinerlei rechtliche Handhabe, diesen zu verbieten.
    Das blutrot gefärbte Wasser und die vielen toten Walkörper, die nach der Jagd aufgereiht am Strand liegen, sind die besten Argumente der Tierschützer. Die grausigen Bilder verstellen aber auch den Blick auf die Realität. Bei den fünf bis sieben Meter langen Walen handelt es sich um keine bedrohte Tierart – knapp einhunderttausend Grindwale leben allein im Nordatlantik. Außerdem, so versichern die Fischer, sei die Tötungsmethode mit dem Messer, so barbarisch sie aussehen mag, für die Tiere relativ schmerzlos und führe innerhalb von dreißig Sekunden zu deren Tod. Die Färinger konfrontieren ihre Kritiker auch gerne mit der Gegenfrage, ob es Tieren, die in Massentierhaltung gehalten werden und die im Schlachthof endeten, besser gehe als den Grindwalen, die ihr Leben in Freiheit verbringen?
    In früheren Jahrhunderten hätten die Menschen auf den Färöern ohne den Walfang nicht überleben können. Das Fleisch der fünfhundert bis tausend Wale, die jährlich erlegt wurden, war nötig, um den Nahrungsmittelbedarf zu decken. Auf den kargen Böden der Inseln wächst wenig, allenfalls ein paar Kartoffeln und etwas Rhabarber kann man anpflanzen. Das Fleisch der Schafe ist zwar eine Delikatesse, reicht aber bei Weitem nicht aus, um die Inselbevölkerung zu ernähren. Heutzutage können Lebensmittel importiert werden und so gesehen müsste man keine Wale mehr töten. Doch der Walfang hat Tradition und ist für die meisten Färinger bis heute Teil ihrer Identität. Immerhin werden seit dem 10. Jahrhundert auf den Färöern Grindwale gefangen.
    Darüber hinaus galt Walfleisch lange als gesund. Høgni Hoydal erzählt, dass es in seiner Jugend eine wöchentliche Radiosendung gab, in der ein Arzt Gesundheitstipps verriet. Jede Sendung habe er mit den Worten geschlossen: »Nicht vergessen, Walspeck essen – denn das ist gut für Ihre Gesundheit.«
    Genau diese Weisheit ist heute zweifelhaft. Und so sind es nicht die Proteste aus den Industrieländern, die dem Walfang schon bald ein Ende bereiten könnten, sondern die Tatsache, dass das Fleisch der Wale inzwischen so stark vergiftet ist, dass man es kaum noch essen kann. Man spürt die Verbitterung, wenn man darüber mit den Menschen auf den Färöern spricht. Hier versteht niemand, dass die Tierschutzorganisationen zwar den Walfang auf den Färöern anprangern, die Nationen aber, die die Meeresumwelt so sehr verschmutzen, dass die Wale langsam vergiftet werden, keine Boykottaufrufe fürchten müssen.
    Tatsächlich ist Walfleisch schon lange nicht mehr gesund. In der Speckschicht der Tiere lagern sich Umweltgifte ein, und der Quecksilbergehalt in ihrem Körper ist so hoch, dass die staatliche Gesundheitsbehörde der Färöer davon abrät, regelmäßig Walfleisch zu essen. Für Frauen sollte nach Ansicht der Ärzte Walfleisch sogar ganz tabu sein, solange sie sich noch Kinder wünschen. Das vergiftete Walfleisch ist vermutlich auch der Grund, warum auf den Färöern doppelt so viele Menschen an Parkinson erkranken wie in den meisten anderen Ländern.
    Als die zuständigen Ärzte
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