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Lesereise - Inseln des Nordens

Lesereise - Inseln des Nordens

Titel: Lesereise - Inseln des Nordens
Autoren: Barbara Schaefer , Rasso Knoller
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Knudsen bei einem Spiel leicht am Kopf. »Unser Hausarzt und meine Mutter wollten mir damals wochenlang das Fußballspielen verbieten«, erinnert sich Knudsen. Das sei für ihn ein unvorstellbarer Gedanke gewesen. Um die Mutter zu beruhigen, versprach er beim Spiel fortan eine Mütze zu tragen – als Schutz für die Kopfwunde. »Im Ernstfall hätte das natürlich nichts genutzt«, meint Knudsen. Aber seine Mutter war zufrieden und er durfte wieder auf den Fußballplatz.
    Im Grunde habe er den Hype um seine Kopfbedeckung nie so richtig verstanden, sagt Knudsen. Vor dem Spiel gegen Österreich habe er sogar überlegt, sie nicht zu tragen. Hätte er sieben, acht oder mehr Tore kassiert, wäre er nur der »Depp mit der Mütze« gewesen – doch so, mit dem Sieg in der Tasche, erlangten er und seine Mütze Kultstatus.
    Nur zwei Jahre lang, von 1993 bis 1995, hat Knudsen bei Länderspielen auf seine geliebte Kopfbedeckung verzichtet: »Damals hat sich die Presse nur noch für meine Mütze und nicht mehr für die Leistung der Mannschaft interessiert.« Das, fügt er hinzu, »war total unseriös«.
    Die Färöer sind Fußballinseln. Von den achtundvierzigtausend Einwohnern spielen fünftausend aktiv Fußball. Jede noch so kleine Gemeinde hat ihren eigenen Fußballverein. Auch Jens Martin Knudsen hat seinen Verdienst an diesem Fußballboom. Der Aufschwung für den Fußball auf den Inseln begann nämlich erst nach dem Sieg von 1990. Lange hatten die Offiziellen auf den Färöern damals diskutiert, ob sie ihr Team überhaupt an der Europameisterschafts-Qualifikation teilnehmen lassen sollten – die Angst vor deftigen Niederlagen war groß. Außerdem herrschte auf den Inseln eine schwere Wirtschaftskrise, sodass für die Finanzierung der Spiele der Nationalmannschaft kein Geld da war. Nur weil ein Sponsor die Reisekosten für das Team übernahm und die Spieler mit Nachdruck auf der Teilnahme an den Qualifikationsspielen bestanden, gingen die Färöer damals überhaupt an den Start. Eine Siegesprämie gab es nach dem Sieg gegen Österreich nicht. Den Helden von Landskrona wurde aber nach ihrer Rückkehr ein stürmischer Empfang bereitet. Knudsen glaubt sich auch zu erinnern, dass er von seiner Heimatgemeinde eine Armbanduhr geschenkt bekommen habe. Erfolgsprämien im Land der Hobbyfußballer haben eben eine andere Dimension.
    Trotzdem war nach dem Sieg gegen Österreich plötzlich alles anders. Jetzt baute man Rasenplätze und in der Hauptstadt Tórshavn ein Stadion, das auch für internationale Spiele groß genug war. Selbst die Wirtschaftskrise wurde durch den Sieg leichter erträglich: Den Aufschwung konnten zwar auch die Fußballer nicht herbeizaubern. Doch das Selbstbewusstsein der Färinger stieg: Mit dem Sieg hatten die Inselbewohner endlich wieder etwas, worauf sie stolz sein konnten.
    Durch das 1 : 0 von Landskrona wurde Knudsen zwar auf einen Schlag zum bekanntesten Färinger, sein Leben hat sich aber nicht verändert. Starruhm verträgt sich nicht mit der kleinen Inselwelt. Neunundneunzig Prozent der Färinger würden ihn wohl kennen, aber wenn er sich plötzlich wie ein Star verhielte, würde man ihn nur auslachen, sagt er. »Hier«, fügt er hinzu, »sind wir alle gleich.« Auch deswegen saß Knudsen schon drei Tage nach dem Sieg gegen Österreich wieder auf dem Fahrersitz seines Gabelstaplers. Wie alle anderen Spieler des Teams war auch er Amateur und musste seinen Lebensunterhalt außerhalb des Fußballfelds verdienen. Als einer der wenigen machte er aber dann doch eine bescheidene Profikarriere – allerdings wieder in der Provinz. Denn ein internationaler Spitzenverein war der IF Leiftur aus der isländischen Stadt Ólafsfjörður, für den Knudsen einige Jahre auflief, nicht. Der wirklich große Vertrag aber platzte, noch bevor er unterzeichnet war: 1998 wollte ihn der FC Aberdeen in der ersten schottischen Liga verpflichten. Leider wurde der Trainer, der ihn unbedingt wollte, am Abend vor der geplanten Vertragsunterzeichnung entlassen. Und dessen Nachfolger hatte kein Interesse mehr an Knudsen.
    Doch auch ohne hoch dotierten Profivertrag ist Knudsen Kult. Fußballfans aus aller Welt verehren den Pudelmützen-Torwart noch fast zwanzig Jahre nach dem legendären Spiel gegen Österreich. In Japan haben sie einen eigenen Jens-Martin-Knudsen-Fanklub gegründet. Und sogar im Land des einstigen Gegners hat der Torwart seine Fans. »Immer wieder stehen Touristen aus Österreich vor meiner Haustür«, sagt Knudsen.
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