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Lesereise - Inseln des Nordens

Lesereise - Inseln des Nordens

Titel: Lesereise - Inseln des Nordens
Autoren: Barbara Schaefer , Rasso Knoller
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sticken, stricken, häkeln. Es klingt wie das Pfeifen im Walde, wie das Postulat: Wir sind im Norden, aber sonst ganz normal.
    Priita wollte mehr Norden. Bis zum Zweiten Weltkrieg waren Überwinterungen von Pelztierjägern nichts Ungewöhnliches, Frauen gesellten sich nur selten dazu, wunderbar nachzulesen ist das im Arktisliteratur-Klassiker der Österreicherin Christiane Ritter, »Eine Frau erlebt die Polarnacht«. Eisbärengeschichten kann die zierliche Priita unzählig viele erzählen. »Fünf Minuten, nachdem wir an der Hütte ankamen, kam der erste Eisbär«, erklärt sie anhand eines Dias. Am Ende ihrer Zeit dort oben, im März, stand dreimal täglich ein Eisbär vor der Tür. Da hatte sie sich die wichtige Routine längst angewöhnt, alles das, was man tut, bewusst zu tun. »Sonst vergisst du das Gewehr in der Hütte, wenn du rausgehst zum Pinkeln.«
    »Ich wollte dieses Abenteuer erleben«, sagt Priita, wenn man nach ihrer Motivation fragt. Fünfundachtzig Kilometer waren es zu den nächsten Nachbarn, die meist unerreichbar waren. Die Dunkelheit sei nicht das Schlimmste gewesen, sondern der Wind. Der gnadenlos um die Bretterbude pfeifende, enervierende Wind. Zweimal wöchentlich nahmen sie Kontakt mit Svalbardradio auf, zur Sicherheit. Dreiundzwanzig Hunde hatten sie dabei, fünf Welpen kamen dazu. Sie tranken »allerreinstes Wasser aus Gletschereis« und feuerten mit Treibholz aus Sibirien. Sie jagten Schneehühner, solange noch Licht genug zum Schießen war, und angelten Saiblinge. Im Herbst nimmt das Licht rapide ab. Täglich zwanzig Minuten weniger scheint die Sonne, »am 20. Oktober war sie weg«. Das zeigt auch eines der Dias. Man sieht einen Sonnenuntergang, für Priita war es der letzte für über vier Monate.
    Ein Dia zeigt in ganz weiter Ferne die Hütte, drumherum nur die weiße Kälte. Klein und einsam zu sein sei in der Stadt ein ungutes Gefühl, »aber in der Natur ist das wunderbar. Die arktische Natur macht den Menschen zu einem sehr kleinen Wesen.« Priita sagt, sie wolle diese Zeit ihres Lebens niemals missen.
    Als die Sonne wiederkam, fuhr Priita nach Hause, weit in den Süden, nach Lappland. Das ist die Zeit, wenn die Zugvögel zurückkommen nach Spitzbergen, und Priita hatte das Gefühl, »ich fahre in die falsche Richtung«. Der norwegische Trapper blieb in der Hütte. Einige Wochen später stand sie wieder bei ihm vor der Tür. Es war die Zeit, als der Eissturmvogel anfing, Nester zu bauen. »Ich hatte gehört, dass man mit diesen Eiern keinen Kuchen backen kann. Das wollte ich ausprobieren.« Deswegen flog sie und floh sie aus Lappland nach Longyearbyen und fuhr mit dem ersten Transportschiff, das um die brucheisigen Küsten schipperte, ans nördliche Ende Svalbards? »Ja«, sagt Priita. Den Kuchen hat sie gebacken. Und den Trapper geheiratet.
    B. S.
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