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Lesereise - Inseln des Nordens

Lesereise - Inseln des Nordens

Titel: Lesereise - Inseln des Nordens
Autoren: Barbara Schaefer , Rasso Knoller
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So kommt es, dass viele touristische Betriebe Ausländern gehören. Sie sind arktis-bitten , von der Arktis gebissen, leben schon viel länger in Grönland als etwa die dänischen Lehrer, die nach zwei Jahren schnellstmöglich das Rückflugticket einlösen.
    Die Nacht wird klar werden. Ob Theodora und Christian Hansen dann vor die Tür schauen, über ihre Sichelbucht, wenn sich der nächtliche Himmel mit Nordlicht füllt? Wenn farbige Strahlen zum Zenit schießen und grüne Gespenster vor Sternbildern tanzen, dass man zu glauben anfängt, ein tupilaq habe da oben die Seelen Verstorbener verhext. Vielleicht singen die Hansens dann etwas von Bach.
    Im Fjord drosselt Jack die Geschwindigkeit. Am hintersten Ende des fünfzig Kilometer tiefen Einschnitts ragt der Kiattuut-Gletscher auf; er erbricht zweihunderttausend Tonnen Eis am Tag, weil er nur ein kleiner Gletscher ist. Die großen Gletscher weiter im Norden speien zwanzig Millionen Tonnen Eis am Tag in die arktische See. Jack fährt weiter in den Fjord, immer dichter scharen sich Eisberge um seinen Kutter. Eisberge wirken mal wie frisch aus der Glasbläserei, durchsichtig und fast schwarz. Andere kompakt und weiß wie Wände aus Schnee. Manche ziehen wie ein Flottenverband von Segelschiffen am Horizont bei leichtem Wind dahin, andere scheinen festgewachsen wie die Insel Manhattan, eine Skyline von Hochhäusern. Manche leuchten in kristallenem Wickblau, verschlingen Licht geradezu, andere liefern ein fahles Blau, so wie die hintersten Berge am Horizont, hinter den Schneefeldern. Leise tuckert der Motor, vielleicht fühlte es sich so ähnlich an im Kajak, wenn man sich anpirschte an Robben, die auf einer Scholle dösen. Eine Fahrt durch Zeit und Raum. Man könnte durchaus vergessen, wieder nach Hause zu fahren.
    B. S.

Rohe Leber ist mein Gemüse
Von Indoor-Basilikum, Robbenleber und Algen-Deko
    Es sah so einfach aus: Die Grönländer standen auf dem zugefrorenen Fjord, vor sich kreisrunde Löcher im Eis. Die Sonne schien, und die Frauen und Männer hielten lange Leinen in den Händen. Daran waren hintereinander viele Haken mit aufgespießtem Irgendwas befestigt; mit langsamen, rhythmischen Bewegungen gingen ihre Hände auf und nieder. Dann zuckte es, sie holten die Leine hoch und pflückten kleine Fische ab wie reife Johannisbeeren. Bei mir zuckte nichts. Immer wieder holte ich die Schnur hoch, vergeblich, nichts dran. Entnervt sagte ich zum Eisloch-Nachbarn: »Ihr habt mir ein leeres Loch gegeben.« Der schüttete sich aus vor Lachen, rief es zum nächsten Angler, der ließ fast seine Leine los, wie eine Welle ging das Gelächter herum. Also so lustig fand ich das auch wieder nicht. Mir schien eher, dass die Nahrungsbeschaffung in Grönland nach wie vor kompliziert ist.
    Eislochfischen ist in Orten wie Ammassalik an der Ostküste, wo ich das erlebt hatte, heute Freizeitbeschäftigung. Man fährt mit dem Motorschlitten oder dem Hundeschlitten hinaus, hat ein paar Dosen Bier dabei, genießt die Natur, die Sonne, wenn sie endlich wieder über den Horizont kommt, und wenn man was fängt, gut, kommt es abends in die Pfanne. Meistens aber gibt es Burger oder dänische Würstchen. Aus der Tiefkühltruhe im Supermarkt. Daneben liegen Riesenpackungen mit Suppengrün, Erbsen, Möhren, mal Spinat. Frisches Gemüse bringt der Helikopter nur selten. Die Nachfrage scheint nicht groß zu sein. »Rohe Leber ist mein Gemüse«, könnte der Eskimo zu Recht sagen. Denn das heißt »Eskimo«: Rohfleischfresser. Was die benachbarten Indianer im Norden Kanadas despektierlich meinten, war schiere Überlebensstrategie. Das rohe Fleisch der Robben, vor allem die Leber, enthält Omega-3-Fettsäuren und Vitamine. Absolute Mangelware in den hohen Breiten. In Südwestgrönland, dort, wo auch die Wikinger einst landeten, ist bescheidene Landwirtschaft möglich, da grasen sogar Schafe. Im Osten aber, und ganz oben, in Thule, wachsen Geranien und Basilikum nur als Zimmerpflanzen. In Ammassalik ist keine nennenswerte Erdkrume zu sehen, die Häuser stehen auf blankem Fels. »Und Ihr Europäer wollt uns zu Vegetariern machen!«, erzürnen sich die Einheimischen, wenn die Weltpresse wieder einmal auf Waljagd und Robbenfang eindrischt.
    Das Lehrerehepaar lud mich zum Essen ein. Die junge Frau stammte aus Nuuk, der Lehrer aus Ammassalik. Beide wirkten trotz ihrer eskimoischen Vorfahren so städtisch und westlich wie kaum sonst jemand hier. Ich sollte ein grönländisches Abendessen bekommen. Es gab
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