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Lesereise Finnland

Lesereise Finnland

Titel: Lesereise Finnland
Autoren: Helge Sobik
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evakuiert. Alle Reichtümer, die transportabel waren, wurden in langen Konvois ins sichere Hinterland des heutigen Finnlands geschafft. Dort wiederum gründeten die vertriebenen Mönche das Kloster Uusi Valamo, »Neu Valamo«, heute Pilgerziel und geistiger Mittelpunkt der Orthodoxie Finnlands.
    Es duftet nach Weihrauch. Kerzen flackern in der zugigen Klosterkirche der Insel. Ein paar Ikonen sind bereits restauriert, andere als Geschenke aus Finnland zurück am alten Platz. An wieder anderer Stelle steht die Wandfarbe in schorfigen Flocken ab. Ein grauer, krummer Mann lässt sich von den Bauarbeiten nicht stören und kniet zum Gebet vor dem Altar. Seine Lippen murmeln leise Gebete, seine Gedanken steigen auf in den Himmel.
    Auch vorm Kirchenportal regiert die Ehrfurcht. Wer immer dort vorbeieilt – die alte Bäuerin mit einem Korb voller Steinpilze in der Hand oder der rauschebärtige Mönch in seiner mehrfach geflickten schwarzen Kutte –, hält ein paar Sekunden inne, verbeugt sich tief und bekreuzigt sich kurz.
    Abgesehen von den Mönchen leben noch etwa fünfhundert Bauern und Fischer auf Valamo. Schon bald sollen diese Menschen die Welt wechseln und aufs Festland nach Sortavala umgesiedelt werden. Auf Valamo sollen künftig ausschließlich die frommen Brüder ihr Zuhause haben.
    Ein klapperiger Bus quält sich ein paar Mal am Tag im Liniendienst über die Insel. Zumindest sollte er das. Nur macht der Motor nicht immer mit. Der Fahrer stöhnt auch diesmal entnervt, öffnet eine Klappe zum Motorraum und schaut skeptisch hinein. Gestern erst hatte er das Getriebe mit einem selbstgebastelten Ersatzteil repariert. Von der Rückbank aus ruft ein Mönch, ob denn der Motor überhaupt da sei. Gelächter, obwohl der Gag gar nicht so wirklichkeitsfern war …
    Unterdessen holpert eine einspännige Pferdekutsche vorbei. Der Mönch auf dem Kutschbock winkt herüber. Waren die guten alten Zeiten doch die besseren? Die Gesichtszüge des Mannes antworten wortlos mit Ja. Irgendwann springt der Bus doch noch an und rüttelt auf Kieswegen über die Insel. Die Straße ist über Dutzende Meter gesäumt von Brennholzstapeln für den Winter, danach von sumpfigen Schilflandschaften, von Felsküsten, schließlich von dichten Wäldern. Irgendwann schimmern einzelne skites durchs Grün, ab und an große Holzkreuze. Fjorde gliedern Valamo in eine Vielzahl von Landzungen und Halbinseln auf.
    Pater Elias springt vor einer der Mönchseinsiedeleien aus dem Klapperbus, läutet und zeigt ein Schreiben des Abtes mit der Bitte um Einlass vor. Nur widerwillig öffnet der Mönch das Gittertor: »Eigentlich«, sagt der auf Russisch, »eigentlich wollten wir hier alleine mit Gott leben.« Er lässt sich erweichen, führt die Fremden durch seine in Eigenarbeit restaurierte Kapelle und freut sich am Ende doch über das Interesse und die Abwechslung im Einerlei des Nachsinnens. »Gott sei mit Euch«, sagt er später zur Verabschiedung. Und »spassiba, danke.«
    Minuten später legt das Schiff nach Sortavala ab. Zurück aufs Festland, von dort aus weiter in die andere Welt, die Finnland heißt, der Klosterinsel um Jahrhunderte voraus ist und Sortavala vor über siebzig Jahren zurücklassen musste, ohne dass die Uhren dort seitdem weiterliefen. An mancher Hauswand sind noch die finnischen Namen kleiner Geschäfte über milchig angelaufenen Schaufenstern zu lesen. Ausgeblichen zwar, aber erkennbar. In lateinischen Buchstaben. Von den kyrillischen sind hier noch nicht viele aufgetragen. Schließlich war dafür nur ein paar Jahre Zeit und die Farbe knapp. Tauno schweigt und rührt seinen Wodka den langen Rückweg über nicht an. Nicht dass er genug davon hätte, aber der Ausflug in die Vergangenheit hinweg über die Grenze der Zeit hat ihn nachdenklich gemacht. Und nachdenken möchte er mit klarem Kopf. Egal, was Tradition ist und was die Trinkspruchfibel für Abendanekdoten vorsieht. Sie passen besser zu einem anderen Tag.

Wo der Weihnachtsmann wohnt
Hausbesuch beim echten Weihnachtsmann in Rovaniemi am Polarkreis
    Der Mann hat einen guten Draht zum Tower und deshalb immer Vorfahrt, wenn er in den Wintermonaten mit seinem Schlitten auf den Rollwegen hin- und herkurvt und auf die gerade gelandeten Maschinen zuhält. Jeder Flughafenmitarbeiter kennt den fast zwei Meter großen und nicht gerade schlanken alten Herrn mit seinem spleenigen Gefährt, lässt ihn gewähren und grüßt kurz im Vorbeifahren. Vom Stammpersonal dreht sich keiner nach dem grauhaarigen
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