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Lesereise Finnland

Lesereise Finnland

Titel: Lesereise Finnland
Autoren: Helge Sobik
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Schlittenwanne schleudern, der sich zwischen den Baumstämmen am Weg verfangen soll. Der Schlitten kentert zwangsläufig. Und kommt genauso zwingend zum Stillstand.
    Geht es bergauf, dann springt Reijo ab und schiebt ihn an, um seinen vierbeinigen Lebensgefährten die Knochenarbeit zu erleichtern. Hunde und Schlittenführer sind Partner, ein aufeinander eingespieltes Team. Anders als in der Arktis werden die Hunde in Skandinavien nicht als halbwilde Nutztiere betrachtet und entsprechend auch nicht mit der Peitsche gebändigt. Harte Züchtigung würde das Verhältnis zu den sensiblen und liebebedürftigen Tieren zerrütten.
    Male trabt entspannt voran. Ihre Leine steht nicht einen Moment lang unter Spannung, sondern hängt durch. Die Knochenarbeit bleibt den muskulösen Tieren im Gefolge überlassen, die teilweise Geschwister aus demselben Wurf sind.
    Eisig bläst den Passagieren der Fahrtwind ins Gesicht, während die verschneiten Tannen und Birken links und rechts immer schneller vorbeirauschen. Die Hunde haben ihren Rhythmus gefunden, während der kurze Tag schon wieder zu Ende gegangen ist. Nur noch schemenhaft gleiten am Schlitten die Konturen einzelner Baumstümpfe und Felsen unterm Schneemantel vorbei, während sich das Milchstraßenband schon am Nachmittag seltsam klar über den Himmel spannt. Neuschnee ist gefallen und knirscht unter den Kufen.
    Fast unmerklich haben die Hunde immer stärker beschleunigt, während Reijos Kommandos immer seltener wurden: »Sie kennen den Weg. Sie wissen, dass es jetzt nach Hause geht – und dass dort das Futter auf sie wartet«. Kein Schiefertafelkratzen, keine Metallzacken im Eis beim Halt vorm heimischen Hof. Was ungestüm begann, läuft sanft aus. Und wie wenn ein Dirigent seinem ersten Geiger mit Handschlag dankt, streichelt und klopft Reijo seine Leithündin. Male revanchiert sich mit einem freundlichen Nasenstupser.

Rentier-Achterbahn am Polarkreis
Winterausflug im Weihnachtsmannstil: unterwegs per Rentierschlitten
    Mehr als ein Jahr, erzählt Rentierzüchter Pertti Maununiemi, hat er gebraucht, um Jussu zu dressieren: ein Paraderentier, schön wie Rudolph the Rednose Reindeer vom Cover der Weihnachtslieder- CD , mit respekteinflößendem Geweih und graubraunem Flauschfell wie die Tiere vorm Schlitten des Weihnachtsmanns. Genauso wie man sich in schönsten Kinderträumen und lebhaftester Erwachsenenfantasie ein hochherrschaftliches Prachtexemplar dieser Gattung vorstellt. Eines, das der hohen Verantwortung gerecht wird, einmal im Jahr mit Bimmelglocke um den Hals vor Santa Claus und den Geschenken herzutraben und die ganze Fuhre auf dem Schlitten über den Nachthimmel zu zerren. Dieses Tier war nicht für die Pfanne, war nicht einem schnellen Ende als Rentiergulasch am Lagerfeuer irgendeiner Motorschlitten-Ausflugsgruppe geweiht. Pertti hat das sofort gemerkt.
    Jussu ist schon als Kalb das Lieblingsfotomotiv der Touristen gewesen, die jeden Winter bis in den April hinein Pertti Maununiemis Rentierfarm bei Rovaniemi in Lappland besuchen. Dieses Tier, war er sich sicher, würde dem Geschäft mit den Rentierschlittenfahrten wieder auf die Sprünge helfen. Bei so einem Prachttier vor der Kufenwanne könnte keiner widerstehen, und jeder würde gerne nach Lachssuppe am Lagerfeuer im Lappenzelt und Fotostopp am Gehege noch ein paar Extra-Euro in die romantische Runde durch das Tannenwäldchen am Grundstücksrand investieren …
    Zwischen November und Ostern kommen an derzeit drei Tagen pro Woche Urlaubergrüppchen auf Halbtagestour den Hof besuchen, um dort nordische Schneeromantik und urtümlichen Winteralltag zu erleben. Die restlichen vier Tage kurvt Pertti mit seinem Motorschlitten draußen in der menschenleeren Wildnis umher, treibt die Herde der halbwilden Tiere zusammen, kümmert sich um kranke Rens.
    Keiner erwartet von einem Rentier, dass es Rechenaufgaben löst oder auf einem Seil balanciert – auch nicht, wenn es mehr als ein Jahr lang dressiert wurde. Aber wenigstens Geradeauslaufen und das am besten in gleichmäßigem Trab – so viel sollte schon drin sein. Oder wie ein Pony auf Schnalzen reagieren oder Ziehen am Zügel als freundliche Geste auffassen, die zum Bremsen anregen soll. Was immer Pertti seinem Vorzeigerentier während des Ausbildungsjahres beigebracht hat: Wenn Besuch kommt, hat Jussu regelmäßig alles vergessen.
    Sobald die Gäste auf dem Schlitten sitzen und der Rentierbock losgebunden ist, erinnert er sich nur noch daran, dass er eigentlich ein
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