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Lesereise Abu Dhabi

Lesereise Abu Dhabi

Titel: Lesereise Abu Dhabi
Autoren: Fabian Poser , Helge Sobik
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desjenigen, der es sich kauft. Und gerade Gold steht da für höchste Weihen.
    Sogar das Fremdenverkehrsamt von Abu Dhabi konnte nicht widerstehen und verteilte eine Zeit lang als Give-away auf Fachmessen und Touristiker-Events eine im Auftrag entwickelte Teekreation in kleinen, rechteckigen Dosen mit zwanzig Gramm Füllgewicht. Ausnahmsweise ging es dabei nicht um die Verpackung, sondern um den Inhalt: Der Tee war mit gesundheitlich unbedenklichen Blattgoldflocken durchsetzt. Auf den Geschmack hatten die leuchtenden Edelmetallpartikel zum Guten wie in die Gegenrichtung keinen Einfluss, aber Eindruck schindeten sie gewaltig – und haben wunschgemäß neugierig gemacht auf das superreiche Emirat, das in der Wahrnehmung der Außenwelt so lange und zu Unrecht im Schatten Dubais stand. Und zugleich fiel goldener Glanz auf diejenigen, die so Exklusives ganz nebenbei als Werbegeschenk verteilen können.
    Zur Mentalität der Emiratis gehört, dass jeder auf den ersten Blick sehen soll, wozu es der andere gebracht hat und was der sich leisten kann. Anders als in anderen Kulturen geht es dabei weniger um Schmuck oder Kleidung. Beides spielte auch bei den Vorvätern eine untergeordnete Rolle. Für die Wüste gab es nur einen Dress, und der kommt noch immer ohne Markenlogo aus und hat einzig durch völlig makellose Sauberkeit zu bestechen. Den Burnus mit Lacoste-Krokodil gibt es bis heute nicht, den Schleier mit Hermès-Erkennungszeichen auch nicht. Und Schmuck war dort draußen im Sand ohnehin nur hinderlich.
    Die Definition erfolgte deshalb über den sichtbaren Besitz: die Zahl der Kamele, die Marke des Geländewagens und dessen Sonderausstattung, das Mobiliar im Zelt. Das ist bis heute so geblieben – und lediglich in die städtische Gegenwart übertragen. Und wenn deshalb heute wieder eines der beliebten Preisausschreiben in der Shoppingmall oder dem Duty-free-Markt am Airport ausgelobt wird, dann ist als Hauptgewinn stets Gold zu gewinnen, fast nie schnödes Geld, denn das hat man hier sowieso. Deshalb zählen neueste Mercedes-Modelle der Oberklasse oder Porsche-Sportwagen zu den Preisen, nicht japanische oder koreanische Fabrikate. Die verwöhnte Kundschaft soll im besten Fall gewinnen können, was sie so zu Hause noch nicht hat oder was zumindest neuer ist als das Pendant in der eigenen Garage – und nicht irgendetwas, was weniger attraktiv ist als das, was man bereits nutzt.
    Eine Mall, die eine Hyundai-Limousine verlost, würde damit vermitteln, vor allem finanziell minderbemittelte Gastarbeiter als Zielgruppe anzusehen – und müsste sehr bald auf die konsumfreudige emiratische Kundschaft verzichten.
    Was von Außenstehenden leicht als Protz empfunden wird, gilt kaum den eigenen Landsleuten, aber umso mehr den Ausländern – ganz egal, ob den in Leitungsfunktion eingesetzten Europäern in emiratischen Unternehmen oder dem Hausmädchen aus Kasachstan mit Uni-Abschluss in Molekularbiologie, dem Gärtner aus Indien oder dem Chauffeur aus Pakistan. Ihnen soll all das sagen: »Unterschätzt uns nicht. Wir kommen aus der Wüste, aber wir haben es zu etwas gebracht. Wir könnten uns eure Welt kaufen, wenn wir nur wollten – Auto für Auto, Marke für Marke. Und sogar vergoldete Shampooflasche für vergoldete Shampooflasche, selbst wenn das enthaltene Duschgel nur für die Kamele gedacht ist. Ihr glaubt, irgendetwas ist für uns zu teuer? Ihr täuscht euch. Dann wird es erst richtig interessant für uns. Was uns egal ist, das sind einzig die Schnäppchen.«
    Das Emirates Palace Hotel an der Corniche von Abu Dhabi, ursprünglich als Regierungsgästehaus geplant, ist im Wesentlichen zur Vermittlung dieser Botschaft gebaut worden: Schaut her, wer wir sind – staunt, was wir uns leisten können und was wir euch aus unserer traditionellen Gastfreundschaft heraus anbieten. Manche Säulen dort sind mit Blattgold ummantelt. Wände sind goldfarben gestrichen, Möbel golden bezogen. Und sogar hundertzwei massivgoldene Waschbecken sind in den Badezimmern der Suiten montiert. Ein Nepalese ist einzig dazu eingestellt, den ganzen Tag lang mit einer speziellen Politur und der richtigen kreisenden Bewegung im Handgelenk diese Becken zu polieren. So etwas soll einschüchtern – und einladen.
    Die genauen Baukosten dieses ausgefallenen Hotels sind nie verlautbart worden, doch die Branchenspekulationen, die den Koloss aus Gold, Marmor und Beton auf zwei bis drei Milliarden Dollar taxieren, sind stets mit Stolz vernommen worden – und
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