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Lesereise Abu Dhabi

Lesereise Abu Dhabi

Titel: Lesereise Abu Dhabi
Autoren: Fabian Poser , Helge Sobik
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Leben sprühende Oase mit ihrem traditionellen Bewässerungssystem Falaj .
    In den vergangenen zweihundert Jahren war Al-Ain häufig Schauplatz von Kriegen zwischen den Machthabern der heutigen Gebiete von Abu Dhabi, Saudi-Arabien und Oman. Die Staatszugehörigkeit der Oase wechselte ständig. Die Briten halfen Mitte der sechziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts bei der Beilegung der Grenzstreitigkeiten mit Saudi-Arabien. In den siebziger Jahren wurde eine halbwegs feste Grenzziehung mit dem Sultanat Oman vereinbart. Doch bis heute wehren sich beide Parteien, diese offiziell anzuerkennen – die Grenze zum Oman verläuft immer noch mitten durch die Stadt.
    Trotzdem wirkt Al-Ain friedlich, vorwärtsgewandt und modern. An einigen Stellen sieht man noch verfallene Grenzposten. Doch Al-Ain hat keine Wunden. Al-Ain ist sauber und aufgeräumt. Das liegt vor allem daran, dass die Stadt seit Mitte des vergangenen Jahrhunderts den besonderen Schutz des Präsidentenvaters Scheich Zayed genoss. Al-Ain ist der Geburtsort des Staatsgründers. Nicht nur deswegen hat er sich immer um den Ort gekümmert, sondern auch, weil er sich der Bedeutung Al-Ains als Wurzel der emiratischen Kultur bewusst war. »Ein Land ohne Vergangenheit hat keine Gegenwart und auch keine Zukunft«, war einer der Grundgedanken Zayeds. Und so genoss Al-Ain immer bevorzugte Behandlung.
    Al-Ain heute ist eine gepflegte Stadt. Keine Stadt an der Grenze ihrer eigenen Existenz wie im unweit gelegenen Jemen. In Al-Ain gibt es keine Straßenkinder, keine Armut, keine Stammesfehden. Es liegt zwar Sand auf den Straßen – der Wind trägt ihn täglich aus der Rub al-Khali heran. Aber es fehlen die Plastiktüten, die durch die Luft geblasen werden, die Müllbeutel und die Blechdosen, die der Wüstenwind vor sich hertreibt. Es gibt in Al-Ain keine Autos, die auseinanderzufallen drohen, keine Dieselwolken, die sie hinter sich herschleppen. Es gibt keine räudigen Hunde, die durch die Gassen streunen, aber auch keine schillernden Märkte wie sonst in so mancher Oasenstadt Arabiens. Es gibt auch kaum Menschen, die mit Hacken über den Schultern von der Feldarbeit nach Hause kommen, keine Ochsenkarren, keine Esel, die unter der aufgebürdeten Last ächzen. Es gibt keine Schafsköpfe, die blutend in den Auslagen hängen, keine Vögel in Volieren, keine rohen Fleischberge. Al-Ain findet im Supermarkt statt. Es gibt nichts Unaufgeräumtes. Al-Ain ist eine Gartenstadt, aber eher eine englische Gartenstadt mit kurz geschorenen, gut gewässerten Grünflächen, mit einer gepflegten Oase, mit fachmännisch gestutzten Palmen. Al-Ain wirkt wie ein Außerirdischer am Rande der Wüste.
    Der berühmte Kamelmarkt von Al-Ain – sie haben ihn erst kürzlich an einen anonymen Platz am Rande der Stadt verlegt – ist zwar als solcher noch zu erkennen. Bis heute ist er der größte der Emirate. Nirgendwo sonst werden jeden Tag so viele Kamele verkauft wie in Al-Ain. Aber auch hier: Der Markt wirkt aufgeräumt, die Tiere werden in großen, sauberen Umzäunungen gehalten. Keine Strohballen, die durch die Luft fliegen, kein Kamelgeruch, keine Futterplätze am Straßenrand. Die Händler sind ohnehin keine Emiratis, sondern meist Menschen aus Pakistan, Indien oder Afghanistan. So wie Nazeer Allah. Zwölf Monate am Stück arbeitet der Paschtune auf dem Kamelmarkt von Al-Ain, dann fährt er für zwei Monate zurück in seine Heimat. »Al-Ain ist ein guter Ort«, sagt er. Und ein sehr exklusiver, denn Geld verdienen lässt sich hier vortrefflich. »Einige der Kamele sind so teuer wie ein Ferrari, die Emiratis lieben nichts so sehr wie sie«, sagt der Afghane. »Vor allem Rennkamele haben es ihnen angetan.« Was er nicht sagt, ist, dass auf dem Markt von Al-Ain kaum noch Rennkamele verkauft werden, denn seit Kamelrennen in den Emiraten in Mode gekommen sind, werden die besten Tiere bereits lange vorher aussortiert und an ausgewählte Käufer veräußert. »Aber selbst für die Milch- und Fleischkamele werden noch fünf- bis zehntausend Dirham bezahlt«, sagt Allah. Etwa tausend bis zweitausend Euro sind das.
    An keinem anderen Ort in Abu Dhabi kommt man der Kultur der Emirate näher. Viele der Einwohner leben immer noch nach ihren ursprünglichen Traditionen. Dazu gehören Kamelrennen genauso wie die Falkenzucht, aber auch die viel gerühmte Gastfreundlichkeit der Beduinen, deren Hochzeitsfeierlichkeiten und Zeremonien. Al-Ain heute, das ist eine moderne Stadt, die Wert auf ihre Vergangenheit legt,
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