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Leopard

Leopard

Titel: Leopard
Autoren: Jo Nesbø
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eigentlich nach Hongkong gekommen?«, fragte Kaja und betrachtete Harry, der sich nicht gerade elegant, aber äußerst effektiv die glänzenden Glasnudeln aus der weißen Suppenschale in den Mund schaufelte.
    »Geflogen. Frierst du?«
    Kaja zog unwillkürlich die Hände unter ihren Schenkeln weg. »Schon klar, aber warum hierher?«
    »Ich war auf dem Weg nach Manila. Hongkong war eigentlich nur eine Zwischenlandung.«
    »Die Philippinen. Und was wolltest du dort?«
    »Mich in einen Vulkan stürzen.«
    »In welchen?«
    »Tja, kennst du einen mit Namen?«
    »Nein, aber ich habe gelesen, dass es viele gibt. Liegen nicht einige davon … auf Luzon?«
    »Nicht schlecht. Insgesamt gibt es achtzehn Vulkane, und drei davon befinden sich auf der Inselgruppe Luzon. Ich wollte auf den Mount Mayon. Zweieinhalbtausend Meter. Ein Stratovulkan.«
    »Ein Vulkan mit steilen Flanken, gebildet aus immer neuen Schichten Lava.«
    Harry hörte zu essen auf und sah sie an. »Ausbrüche in jüngerer Zeit?«
    »Viele. Dreißig?«
    »In der Personalakte steht etwas von 47 seit 1616. Zuletzt 2002. Er steht im Verdacht, etwa dreitausend Leute auf dem Gewissen zu haben.«
    »Was ist passiert?«
    »Es hatte sich Druck aufgebaut.«
    »Ich meine mit dir.«
    »Ich rede von mir.« Sie glaubte, die Andeutung eines Lächelns auf seinen Lippen zu erkennen. »Ich bin rückfällig geworden, habe im Flugzeug angefangen, Schnaps zu trinken. In Hongkong haben sie mich aufgefordert, von Bord zu gehen.«
    »Es gibt viele Flüge nach Manila.«
    »Mir ist klargeworden, dass Manila, mal abgesehen von den Vulkanen, auch nicht besser ist als Hongkong.«
    »In welcher Beziehung besser?«
    »Weiter weg von Norwegen.«
    Kaja nickte. Sie hatte die Schneemann-Akte gelesen.
    »Und das Wichtigste«, sagte er und deutete mit seinen Stäbchen auf die Schale, »hier gibt es Li Yuans Glasnudeln. Probier sie mal. Die sind Grund genug, sich um die hiesige Staatsbürgerschaft zu bemühen.«
    »Die und Opium?«
    Normalerweise war sie nicht so direkt, sie wusste aber, dass sie ihre angeborene Zurückhaltung aufgeben musste, wenn sie zu Ende bringen wollte, weshalb sie gekommen war.
    Er zuckte mit den Schultern und konzentrierte sich auf seine Glasnudeln.
    »Rauchst du das Zeug regelmäßig?«
    »Unregelmäßig.«
    »Und warum tust du das?«
    Er antwortete mit vollem Mund. »Um nicht zu trinken. Ich bin Alkoholiker. Das ist übrigens noch ein Vorteil von Hongkong gegenüber Manila. Kein so hohes Strafmaß bei Drogen. Und sauberere Gefängnisse.«
    »Von dem Alkohol wusste ich, aber bist du drogenabhängig?«
    »Definier drogenabhängig .«
    » Brauchst du dieses Zeug?«
    »Nein, aber ich will es haben.«
    »Warum?«
    »Betäubung. He, Solness, das klingt wie ein Vorstellungsgespräch für einen Job, den ich gar nicht haben will. Hast du schon mal Opium geraucht?«
    Kaja schüttelte den Kopf. Auf einer Rucksacktour durch Südamerika hatte sie mal Marihuana probiert. Aber auch das hatte sie nicht begeistert.
    »Die Chinesen schon. Vor zweihundert Jahren importierten die Briten Opium aus Indien, um ihre Handelsbilanz zu verbessern, und haben so halb China zu Junkies gemacht.« Er schnippte mit den Fingern. »Und als die chinesischen Behörden verständlicherweise das Opium verboten, erklärten die Briten ihnen den Krieg, um China weiterhin mit Dope zu überschwemmen. Stell dir mal vor, Kolumbien würde New York bombardieren, weil die Amerikaner an der Grenze das Kokain beschlagnahmen.«
    »Worauf willst du hinaus?«
    »Dass ich es für meine Pflicht als Europäer halte, einen Teil der Scheiße, die wir in dieses Land gebracht haben, aufzurauchen.«
    Kaja lachte, ohne es zu wollen. Sie brauchte wirklich Schlaf.
    »Ich bin dir gefolgt, als du dir die Drogen beschafft hast«, sagte sie. »Ich habe gesehen, wie ihr das macht. Es war Geld in der Saugflasche, als du sie abgestellt hast, und hinterher war da Opium drin, nicht wahr?«
    »Hm«, sagte Harry, den Mund voller Nudeln. »Hast du mal im Drogendezernat gearbeitet?«
    Sie schüttelte den Kopf. »Warum eine Saugflasche?«
    Harry streckte die Arme über den Kopf. Die Suppenschale vor ihm war leer. »Opium riecht extrem stark. Wenn du das einfach so in die Hosentasche steckst oder in Folie wickelst, spüren die Drogenhunde dich sogar in einer großen Menschenmenge auf. Und auf Saugflaschen ist kein Pfand, da riskiert man nicht, dass einem irgendein Kind oder Besoffener die Flasche während des Handels wegschnappt. Mit anderen Flaschen
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