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Leonardos Drachen

Leonardos Drachen

Titel: Leonardos Drachen
Autoren: Alfred Bekker
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hatte Leonardo ein eigenes Zimmer gehabt, in dem er eifrig den verschiedensten Experimenten nachgegangen war. Tote Tiere aufschneiden, ihre Organe untersuchen und herausfinden, wie sie von innen aufgebaut waren, war eine seiner Lieblingstätigkeiten gewesen. Zum Glück hatte sein Großvater einen so feinen Geruchssinn nicht mehr gehabt.
    Leonardo griff nach der Eidechse, wickelte sie wieder in das Stück Jute ein und schnürte sich das Bündel fester, als er es bisher getan hatte.
    „Das ist ekelhaft“, flüsterte Niccolo und schüttelte verständnislos den Kopf.
    In diesem Moment ertönte ein Schrei. Von weiter oben auf den Anhöhen tauchte ein Mann auf. Offenbar gehörte er zu den Waffenknechten, die den Überfall geplant hatten. Ihr Anführer hatte ihn wahrscheinlich dort hinaufgeschickt, um herauszufinden, wo denn derStadtherr von Florenz und sein Gefolge blieben. Nun konnte er natürlich auch Leonardo und Niccolo sowie die Männer, die mit ihnen gekommen waren, sehen.
    Sein Schrei war so laut und durchdringend, dass die Waffenknechte im Hinterhalt sich sofort umdrehten. Einer von ihnen feuerte seine Hakenbüchse ab. Pulverdampf stieg auf.
    Der Schuss ging über Leonardo und Niccolo hinweg. Die Kugel schlug in einen knorrigen, halb vertrockneten Baum ein, den irgendwann einmal der Blitz gespaltet hatte. Jetzt klaffte an seinem Hauptstamm ein faustgroßes Loch.
    Ein zweiter Schuss wurde abgegeben. Niccolos Männer wehrten sich nun und kamen dafür aus ihrer Deckung. Der Armbrustschütze ließ den Bolzen durch die Luft schnellen, den er gerade eingelegt hatte. Die Schüsse und das Kampfgeschrei waren bestimmt auch bis zur Brücke zu hören, wo Piero de’ Medici mit dem Rest seiner Männer geblieben war.
    „Bleib in Deckung, Junge!“, rief Niccolo, während er das Schwert zog und vorwärtsstürmte.
    Natürlich hielt es Leonardo nicht in seinem Versteck. Er war einfach zu neugierig auf das, was sich da abspielte.
    Die Waffenknechte, die im Hinterhalt gelauert hatten, rannten jetzt zu ihren Pferden, die sie in einiger Entfernung bei einer Gruppe von Bäumen angebunden hatten. Einer von ihnen wartete dort und begann damit, sie loszubinden. Noch einmal knallte eine Hakenbüchse. Dann ritten die ersten Mitglieder der Bande bereitsdavon. Auch die anderen sahen zu, dass sie so schnell wie möglich in den Sattel kamen. Die Pferde wieherten. Der Armbrustschütze hatte inzwischen seine Waffe nachgeladen, was immer etwas umständlich war. Bis er den Bolzen eingelegt hatte, waren die Banditen längst auf und davon. Auch der Mann auf der Anhöhe war nicht mehr zu sehen. In der Ferne hörte Leonardo den Galopp ihrer Pferde.
    „So ein Mist! Von denen werden wir keinen mehr einholen“, meinte der Armbrustschütze – und Niccolo konnte ihm da nur zustimmen.
    „Seien wir froh, dass unser Herr nicht in den Hinterhalt geraten ist“, sagte er. „Ich wüsste nur zu gern, wer diese Männer geschickt hat.“
    „Vielleicht kann man das noch herausfinden“, mischte sich Leonardo ein.
    Niccolo steckte sein Schwert ein und stemmte die Arme in die Hüften. „So, du scheinst ja ein Neunmalkluger zu sein! Wie willst du das anstellen?“
    „Vielleicht haben die Männer Spuren hinterlassen, aus denen man schließen kann, wer ihr Auftraggeber ist. Lasst uns nachsehen!“
    Leonardo wartete gar nicht erst auf eine Antwort, sondern lief einfach los.
    Niccolo wandte sich unterdessen noch einmal an den Armbrustschützen. „Cristian, geh mit ihm! Die anderen holen die Pferde.“

Wer steckt dahinter?
    L eonardo bemerkte zunächst kaum, dass Cristian, der Armbrustschütze, ihm gefolgt war. Darum zuckte er ziemlich zusammen, als er ihn bemerkte.
    „So freundlich, uns ein verräterisches Dokument zu hinterlassen, waren diese Kerle leider nicht“, spottete Cristian. „Ein paar Pferdeäpfel liegen dort, wo sie ihre Gäule angebunden hatten – aber sonst haben sie nichts Wichtiges hinterlassen.“
    Leonardo kratzte sich am Kinn. Eine Fackel, die in der Erde steckte und immer noch brannte, interessierte ihn. Er zog den Stiel aus dem Boden. Das Pech war schon fast ganz verbrannt. „Sie haben ziemlich lange hier gewartet“, meinte Leonardo. „Oder sie mussten am Pech für die Fackel sparen.“
    „Billig ist Pech ja nun auch wirklich nicht“, entgegnete Cristian. „Ach, Junge, es ist immer dasselbe. Wenn es gewöhnliche Diebe gewesen wären, hätten sie kaum Hakenbüchsen zur Verfügung gehabt. Nein, das waren Attentäter! Mörder, die
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