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Leonardos Drachen

Leonardos Drachen

Titel: Leonardos Drachen
Autoren: Alfred Bekker
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Schon nachdem Cosimo der Alte gestorben war, hatte sich manch einer gedacht, dass jetzt vielleicht der richtige Zeitpunkt gekommen war, um der Familie Medici endlich die Macht über die Republik Florenz zu entreißen.
    Leonardo wandte sich an Clarissa. „Pass noch etwas auf meine Schuhe auf“, meinte er.
    Dann wandte er sich an Niccolo. „Kommt! Aber macht keinen Lärm, sonst werden die Männer im Hinterhalt noch auf uns aufmerksam.“
     
    L eonardo führte die Männer durch den kleinen Wald und dann die Anhöhen hinauf. Sechs Mann begleiteten ihn – der Rest des Trupps blieb bei Piero de’ Medici. Bestimmt wunderten sich die Männer im Hinterhalt schon, weshalb der Stadtherr und sein Gefolge nicht schon längst bei ihnen aufgetaucht waren.
    Eine ganz andere Frage war, woher sie wohl wussten,dass ausgerechnet heute der Stadtherr diesen Weg nehmen würde. „Offenbar sind sie gut informiert“, überlegte Leonardo. Vielleicht gibt es irgendjemanden im Palast, der sie regelmäßig mit Informationen versorgt. Einen Spion, der entweder für eine der mit den Medici verfeindeten Familien arbeitete oder vielleicht sogar von einem anderen benachbarten Herrscher geschickt worden war, dem die Herrschaft der Medici in Florenz ein Dorn im Auge war.
    Sie kletterten die Anhöhen empor. Aber Leonardo führte die Söldner auf einem etwas anderen Weg als demjenigen, den er selbst vor wenigen Augenblicken genommen hatte. Es war ein Weg, der näher an die Stelle heranführte, wo der Hinterhalt gelegt worden war. Dafür musste man mehr darauf achten, keinen Lärm zu machen, und die meiste Zeit über hielten sie sich geduckt. Hinter den zahlreichen Sträuchern, die hier wuchsen, konnte man sehr gut Deckung finden.
    Schließlich kamen die Unbekannten, die sich in den Hinterhalt gelegt hatten, in den Blick. Leonardo sah jetzt zum ersten Mal, dass die Fremden Fackeln entzündet hatten. Allerdings nicht etwa deshalb, weil es an diesem sonnigen Tag zu dunkel gewesen wäre! Sie brauchten die Fackeln, um daran die Lunten ihrer Hakenbüchsen zu entzünden, sobald es ernst wurde.
    Zwei Minuten brannte eine solche Lunte. Wenn man in dieser Zeit keinen Schuss abgab, musste man eine neue Lunte nehmen und an dem Haken befestigen, mit dem das brennende Ende dann ins Pulver getaucht wurde, sodass der Schuss losging. Leonardo sah außerdem
     
    Reste eines Lagerfeuers.
    „Das sind keine Strauchdiebe“, murmelte Niccolo. „Das sind Söldner wie wir! Gut ausgerüstete Waffenknechte.“
    „Ich frage mich, wer die angeheuert hat“, meinte einer der anderen Söldner, der nun einen Bolzen in seine Armbrust legte und die Waffe spannte.
    „Was glaubt Ihr, wer diese Waffenknechte dazu beauftragt hat, sich dort auf die Lauer zu legen?“, wollte Leonardo wissen.
    „Still jetzt und frag nicht so viel!“, gab Niccolo ziemlich barsch zurück.
    Seine flüsternde Stimme klang wie das Zischen einer der Schlangen, die man in dieser Gegend finden konnte.
    Niccolo machte ein paar Handzeichen in Richtung seiner Begleiter. Diese nickten ihm zu, wohl zum Zeichen, dass sie ihn verstanden hatten. Die Söldner verteilten sich. Ein paar dieser Zeichen galten Leonardo. Im ersten Moment begriff er nicht, aber dann verstand er doch, was Niccolo von ihm wollte. Er sollte sich klein machen und sich hinter den Büschen verbergen. Dann fiel Niccolos Blick auf eine Stelle am Boden, nur eine halbe Armlänge von dem Jungen entfernt. Leonardo sah, dass sich das Gesicht des Söldners auf seltsame Weise verändert hatte. Es drückte jetzt tiefsten Ekel und größtes Entsetzen aus, und im ersten Moment konnte sich der Junge nicht erklären, was das nun zu bedeuten hatte.
    Dann fiel sein Blick tiefer und traf den Boden.
    Nun bemerkte es auch Leonardo. Eine tote Eidechse,die er oben auf den Anhöhen gefunden hatte, war ihm aus dem Bündel gerutscht, das er sich seitlich an den Gürtel geschnürt hatte. Es bestand einfach aus einem Stück grober Jute, das er aus einem Mehlsack herausgeschnitten hatte und normalerweise dafür benutzte, um das Wasser von Flüssen und Bächen nach Kleintieren und anderen darin herumschwimmenden Bestandteilen zu filtern. Kaulquappen hatte er sonst zum Beispiel damit gefangen. Und da er es schon ein paar Jahre in Gebrauch hatte, war es voller Flecken. Das Blut toter Vögel und Mäuse hatte dort ebenso seine Spuren hinterlassen wie eine Reihe anderer Substanzen, die allesamt gemein hatten, dass sie stark und schlecht rochen.
    Im Haus seines Großvaters
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