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Leonardos Drachen

Leonardos Drachen

Titel: Leonardos Drachen
Autoren: Alfred Bekker
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lagen Zeichnungen, und der Stuhl, der danebenstand, war von ein paar Gläsern besetzt. Tote Frösche schwammen darin in einer Flüssigkeit, die wie Branntwein roch. Offenbar hatte Leonardo die Frösche in Alkohol eingelegt, um sie haltbar zu machen und ihre Verwesung zu verhindern.
    Clarissa wusste, dass man alles, was mit Leonardos Forschungen zu tun hatte, besser nicht anfasste. Erstens war es meistens irgendwie schmutzig und zweitens konnte Leonardo dann sehr ärgerlich werden.
    Also blieb Clarissa besser stehen.
    „Es wird im Palast sicherlich noch viel zu besprechen geben“, meinte Leonardo, ohne dabei von seinen Zeichnungen aufzuschauen. „Und offenbar brauchen sie jemanden, der gut, schnell und ohne allzu viele Tintenkleckse schreiben kann. Und darin ist mein Vater nun wirklich nicht so leicht zu übertreffen!“
    „Melina scheint sich Sorgen zu machen. Sie ist unten und läuft immer wieder hin und her!“
    „Es ist nicht die erste Nacht, die mein Vater im Palast verbringt“, meinte Leonardo. „Du hast das nur noch nicht erlebt!“ Der Bleistift brach ab. „So ein Mist“, schimpfte Leonardo. „Ich drücke zu doll, darum brechen sie ab. Aber wenn ich nicht drücke, sieht man den Strich so schlecht!“
    „Das haben Bleistifte nun mal so an sich. Deswegen gibt es ja auch Tinte!“
    „Mit Tinte sind die Striche so fett, dass man keine Einzelheiten zeichnen kann. Nein, nein, für diese Zeichnungen kann ich nur Bleistifte gebrauchen.“
    „Eigenartige Ideen hast du“, meinte Clarissa, während sie die Zeichnungen betrachtete. „Wenn Gott gewollt hätte, dass Menschen fliegen, dann hätte er uns und nicht den Vögeln Flügel wachsen lassen!“
    „Aber dass Vögel fliegen können, hat nichts mit Magie zu tun, sondern mit den Kräften der Natur, diedie Vögel für sich ausnutzen können – und wir nicht, weil wir ihre Gesetze nicht genügend kennen. Alles, was wir tun müssen, ist, andere fliegende Wesen gut zu beobachten und von ihnen zu lernen, wie man es macht.“
    „Wie gesagt, ich glaube nicht, dass das Gottes Wille ist“, meinte Clarissa sehr ernst. „Und er sieht alles, was wir tun. Auch was du tust, Leonardo!“
    Aber Leonardo machte eine wegwerfende Handbewegung. „Wenn Gott nicht gewollt hätte, dass wir die Natur begreifen, dann hätte er uns ja wohl kaum einen Verstand gegeben! Also mache ich mir darüber keine Sorgen.“
    „Vielleicht wirst du ja mal ein Gelehrter an einer Universität“, meinte Clarissa.
    „Würde ich gerne, aber dort wird man mich noch nicht einmal als Studenten aufnehmen.“
    „Wieso nicht?“
    „Weil ich kein Latein gelernt habe.“
    „Ich nehme an, das liegt daran, dass so etwas in einem kleinen Dorf wie Vinci nicht gelehrt wird.“
    Leonardo nickte. „Ja, das ganze Dorf war sehr froh, dass es überhaupt einen Lehrer gab. Selbst in die Dorfschule bin ich nicht lange gegangen.“
    „Warum das denn nicht?“
    „Ich hatte Schwierigkeiten dort.“
    Clarissa verschränkte die Arme vor der Brust und grinste. „Wahrscheinlich hast du einmal eine verfaulte Eidechse oder eine tote Maus in die Schule mitgenommen und dann hatten alle genug von dir – war es so?“
    Leonardo schüttelte den Kopf. Sein Gesicht veränderte sich. Es wirkte jetzt etwas traurig. „Nein, ich   …“ Er sprach nicht weiter.
    Clarissa dachte wohl, dass es genau an diesem Punkt vermutlich interessant werden konnte. „Ja, sprich dich ruhig aus!“, forderte sie ihn auf.
    „Es ist mir etwas peinlich“, gestand Leonardo.
    „Ach, komm schon! Jemand, dem es nicht peinlich ist, tote Tiere aufzuschneiden und völlig verrückte Dinge aufzuzeichnen, dem braucht auch sonst nichts peinlich sein, weil ihn sowieso schon jeder für einen Verrückten hält. Also erzähl schon!“
    Leonardo druckste etwas herum. Dann brachte er es schließlich doch noch heraus. „Ich war schlecht im Rechnen“, sagte er. „Ich konnte das einfach nicht! Außerdem habe ich andauernd Fragen gestellt, die nichts mit dem Unterricht zu tun hatten. Ich bin schließlich einfach nicht mehr hingegangen. Als dann mein Vater eine Zeit lang nicht mehr genug Geld hatte, um mein Schulgeld zu bezahlen, hat sich das Ganze von selbst erledigt.“
    „Was hast du dann gemacht?“
    „Ich bin meinen eigenen Forschungen nachgegangen. Dabei lernt man sowieso das meiste, wie ich festgestellt habe.“
    „Na ja, wenn alles, was dabei herausgekommen ist, so ein seltsamer Bratenwender ist   …“, spottete Clarissa.
    Leonardo verzog das
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