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Leonard Bernstein

Leonard Bernstein

Titel: Leonard Bernstein
Autoren: Jonathan Cott
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sicher, er wird dir nicht schaden.«
    Der junge Mann beherzigte den Rat seiner Mutter nicht; und mit Bestürzung musste man später feststellen, dass das FBI unter der Leitung von J. Edgar Hoover ab etwa 1945 eine Akte von über siebenhundert Seiten über Bernsteins politische Meinungen und Aktivitäten geführt hatte. Barry Seldes berichtet in seinem Buch Leonard Bernstein: The Political Life of an American Musician 1 , dass Bernstein von 1950 bis 1954 auf der Schwarzen Liste stand und das Außenministerium sich 1953 weigerte, seinen Pass zu verlängern – wegen mutmaßlicher Kontakte zu Kommunisten (obwohl Bernstein nie Mitglied der Kommunistischen Partei war). Etliche Monate vor der Uraufführung von Bernsteins Mass – einem musiktheatralischen Spektakel, das Popmusik und Elemente der katholischen Liturgie miteinander verbindet, geschrieben im Auftrag von Jacqueline Kennedy Onassis zur Eröffnung des Kennedy Center for the Performing Arts – erging am 8. September 1971 eine Warnung des FBI an das Weiße Haus und den damaligen Präsidenten Nixon, dass Bernstein möglicherweise plane, »den Präsidenten und andere Regierungsmitglieder« bloßzustellen. Nixon und sein Stabschef H. R. Haldeman fürchteten, dass in den lateinischen Texten subversive Botschaften versteckt sein könnten, und der Präsident weigerte sich, das Konzert zu besuchen. Dennoch erhielt Bernstein höchstes Lob aus dem Munde Nixons, denn auf den Watergate-Tonbändern ist zu hören, dass der Präsident ihn einen »Dreckskerl« nennt.
    In anderen Kreisen hingegen zählte Leonard Bernstein zu den am meisten verehrten Musikern des zwanzigsten Jahrhunderts – und sicher war er einer der produktivsten. Er erhielt dreiundzwanzig Grammys, zehn Emmys, zweiundzwanzig Ehrendoktorhüte, und er schrieb fünf Bücher. Zwei von ihnen, The Joy of Music [dt. Freude an der Musik ] und The Infinite Variety of Music [dt. Von der unendlichen Vielfalt der Musik ], sind, wie der Musikkritiker Alex Ross in seiner Essaysammlung Listen to This schreibt, »noch immer die besten einführenden Werke ihrer Art«.
    Am bekanntesten wurde er als Dirigent von dreiundfünfzig legendären Young People’s Concerts, Konzerten für junge Leute; in über vierhundert Tonaufnahmen und Dutzenden von Videoaufzeichnungen ist er am Pult zu hören und zu sehen – kein klassischer Künstler hat mehr Platten aufgenommen. Und er hat außergewöhnliche Werke in vielen Genres komponiert: die Musicals West Side Story und On the Town ; die Operette Candide ; die Oper A Quiet Place ; das Ballett Fancy Free ; den Soundtrack zum Film On the Waterfront ; die Sinfonien Jeremiah , The Age of Anxiety und Kaddish ; und das umstrittene religiöse Werk Mass: A Theater Piece for Singers, Players, and Dancers … neben meinem persönlichen Lieblingsstück, dem ganz eigenartigen Prelude, Fugue and Riffs für Soloklarinette und Jazzensemble. Komponiert 1949 für Woody Hermans Bigband, demonstriert dieses kaum neunminütige Werk inspirierter, lustvoller Musik die Bernstein’sche Ästhetik der Freude und ruft dem Zuhörer die funkelnden Tonwelten von Strawinskys Ebony Concerto , Count Basies »Riff Interlude«, Lionel Hamptons »Flying Home« und Kurt Weills »Liebeslied« aus der Dreigroschenoper in Erinnerung. Ganz besonders liebe ich die DVD -Aufnahme von Prelude, Fugue and Riffs , in der wir Bernstein zusehen, wie er Mitglieder der Wiener Philharmoniker in ein Ensemble verwandelt, das größte Ähnlichkeit mit einer amerikanischen Swingkapelle hat!
    Als Dirigent, Komponist, Pianist, Autor, Erzieher, Vortragsredner, Fernsehmoderator, Menschenrechts- und Friedensaktivist war Leonard Bernstein sein eigenes Gesamtkunstwerk – ein Begriff, den Richard Wagner zur Kennzeichnung einer allumfassenden Synthese der Kunst prägte. Zu Beginn seiner Karriere sagte Bernstein der New York Times : »Ich will nicht so leben wie Toscanini, der dieselben fünfzig Stücke immer wieder studiert hat. Das würde mich zu Tode langweilen. Ich will dirigieren. Ich will Klavier spielen. Ich will für Hollywood schreiben. Ich will weiterhin versuchen, im vollen Sinn dieses wunderbaren Wortes ein Musiker zu sein. Außerdem will ich unterrichten. Ich will Bücher und Gedichte schreiben. Und ich glaube, dass ich all diesen Aufgaben immer noch gerecht werden kann.«
    Am ehesten könnte man alle Aktivitäten Bernsteins vielleicht unter dem Begriff des Lehrers subsummieren. »Das Unterrichten«, sagte er einmal in seinem Vortrag »A
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