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Lennox 03 - Der dunkle Schlaf

Lennox 03 - Der dunkle Schlaf

Titel: Lennox 03 - Der dunkle Schlaf
Autoren: Craig Russell
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Wenn mir der Krieg eines über Geschichte beigebracht hat, dann die Tatsache, dass sie ohne Zukunft ist.
    Vermutlich war das der Grund, weshalb ich trotz des beeindruckenden Geldhaufens in meiner Schreibtischschublade meine Erkundigungen zum dreistesten Raubüberfall in der Glasgower Geschichte und dem glorreichen, wenngleich gefährlichen Charakter, der dahintersteckte, erst einmal aufschob. Natürlich benötigte ich unbedingt die Namensliste, die Isa und Violet mir versprochen hatten, ehe meine Nachforschungen eine klare Richtung einschlagen konnten. In Wirklichkeit wusste ich zwar, wo ich anfangen musste, zögerte es aber zwei weitere Tage hinaus.
    Am Tag, bevor die Zwillingsschwestern bei mir aufgekreuzt waren, hatte ich einen Anruf erhalten. Die Männerstimme am Apparat, die einen Termin mit mir vereinbaren wollte, hatte jenen Akzent, den man normalerweise mit Kelvinside in Verbindung bringt: nasal und leicht tuntig, mit gewunden artikulierten Vokalen, die den Glasgower Dialekt überdecken sollen. Ich hatte schon ein paar Jahre in der Stadt gelebt, ehe ich begriffen hatte, dass Kay Vale-Ray nicht irgendeine unbekannte Nachtklubsängerin war, sondern das Wort für berittene Soldaten.
    Die Stimme, die, wie ich bald herausfand, dem Anwalt Donald Fraser gehörte, hatte mir in dichten Sätzen mit vielsilbigen Wörtern mitgeteilt, dass er sich freuen würde, mich in seinem Büro auf der St. Vincent Street in einer »Angelegenheit von nicht unbeträchtlicher Vertraulichkeit« zu empfangen. Mehr als das wünsche er »telefonisch nicht zu offenbaren«. Ich ließ es ihm durchgehen und willigte ein, mich mit ihm zu treffen; als Rechercheagent hatte ich gelernt, dass es Menschen gab, die einem unbedingt ihre Geschichte erzählen wollten – und ihr einziger Grund, jemanden zu bemühen, war es, ihre Geschichte zu erzählen –, aber trotzdem Zeit brauchten, um sich zu öffnen, und von ihrem Zuhörer erwarteten, dass er sie ihnen aus der Nase pulte. Darin war ich ziemlich gut und hatte mir schon oft überlegt, dass ich meine Talente auch sehr gut als Facharzt für Geschlechtskrankheiten hätte einsetzen können. Ehrlicherweise hätte ich mir dann wahrscheinlich weniger schäbige Geschichten anhören müssen.
    Wie auch immer, ich hatte Fraser nicht gedrängt, telefonisch mehr preiszugeben. Außerdem arbeitete er als Anwalt für eine Kanzlei, deren Namen ich kannte. Für Rechercheagenten sind die städtischen Anwälte eine wichtige Quelle für legale Aufträge, hauptsächlich für Scheidungen, für die nach schottischem Recht ein aufrechter Bürger wie ich erforderlich war, der bezeugte, dass bei einem anderen Bürger etwas aufrecht gewesen war, was an einem bestimmten Ort und in einer bestimmten Gesellschaft nicht hätte aufrecht stehen sollen.
    Nachdem Isa und Violet gegangen waren, blieben mir bis zu meinem Termin mit Fraser noch zwei Stunden. Ich nahm den Hörer vom Telefon und bat die Vermittlung um ein Gespräch mit Bell 3500, der Nummer des Polizeipräsidiums am St. Andrew’s Square, und dort ersuchte ich, mich zu Detective Inspector Jock Ferguson durchzustellen.
    »Wie wär’s mit Bier und Pastete?«, fragte ich ihn.
    »Worauf haben Sie’s diesmal abgesehen, Lennox?« Im Hintergrund hörte ich eine Schreibmaschine klappern. Ich stellte mir einen stämmigen, rotwangigen Highlander in Uniform vor, der mit zwei Fingern auf das Gerät einhämmerte, die Zunge seitlich aus dem verkniffenen Mund gestreckt, die Brauen in höchster Konzentration zusammengezogen.
    »Worauf ich es abgesehen habe? Auf das Vergnügen Ihrer Gesellschaft, natürlich! Und ein Bier und eine Pastete. Aber legen Sie mich noch nicht fest – ich muss zuvor einen Blick in die Speisekarte des Horseheads werfen.«
    »Im Horsehead also?« Ferguson schnaubte.
    »Aus einem unerfindlichen Grund hege ich einen Groll auf meinen Verdauungstrakt.«
    »Aye … und meinen auch, wie’s scheint. Warum ersparen Sie uns nicht die Verstopfung und sagen mir einfach, was Sie wissen wollen?«
    »Nur auf ein kurzes Wort. In einer halben Stunde?«
    Ferguson grunzte zustimmend und legte auf. Freundliches Geplauder war nicht seine Stärke.
***
    Schottland kannte zwei nationale Zeitvertreibe, die einzigen Themen, die in der Brust des Schotten tiefe Leidenschaft erwecken konnten: Fußball und Alkohol. Das Komische daran war, dass meine Mitbürger beim ersten so unfassbar schlecht waren, wie sie beim zweiten umso mehr brillieren mussten. Wie den Iren scheint den Schotten ein
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