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Lenke meine Fuesse Herr

Lenke meine Fuesse Herr

Titel: Lenke meine Fuesse Herr
Autoren: Christian Wittenberg
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ist in Ordnung. Sie fragen mich, wie ich mit Rucksack in diese entlegene Ecke Spaniens käme, und was die Muschel bedeute — und da ist eine ganze Stunde mit Erzählen schnell weg.
    Durch Kiefernwälder, herrliche Badestrände entlang — wie gerne würde ich jetzt links abbiegen und baden! Doch erst ans Ziel: zur Herberge, den Pass abstempeln lassen und dann ans Kap und dort übernachten. Es geht über eine kleine Klippe, oben ein altes Steinkreuz, das Kreuz von Baixar. Die Häuser dahinter sind schon der Ort Fisterra! In die Altstadt, an Hotels und Geschäften vorbei auf den Hafen zu. Fast bin ich am Ziel meiner Pilgerwanderung angekommen.
    Die Herberge ist unübersehbar, direkt am Busbahnhof. Durch die riesigen Glasfenster siehe ich, dass hier schon reges Leben herrscht — ein Grund mehr, heute am Kap zu schlafen! Der Hostalero, assistiert von einer deutschen Studentin, stellt mir auf seinem Computer die Urkunde aus: Ich bin nach Fisterra gepilgert! Ich finde das Blatt schöner als die „Compostela“, doch die ist eben wichtiger.
    Ich erzähle, dass ich zum Kap gehe und dort nächtigen will, und er sagt: „Gut! Aber bleib oben auf dem Felsen und versuche auf keinen Fall, zu baden!“ — „Wieso, die See ist doch ganz ruhig?“ — „Hier in der Bucht, aber am Kap sind böse Strömungen. Erst gestern haben wir einen Amerikaner aus dem Wasser ziehen müssen — tot! Der fünfte in diesem Sommer. Und ich hab dazu keine Lust mehr! Nicht umsonst ist das hier die Costa del Morte!“
    Inzwischen sind die drei Deutschen angekommen, die beiden Schweizerinnen, die Jungen mit den großen Stöcken: Dänen, wie es sich herausstellt. Der Professor aus New York ist da und ein junger Engländer, der erstaunt ist, dass ich ihm auf den Kopf Zusage, dass er aus London stammt: Sein Cockney-Slang ist unüberhörbar! Wir vereinbaren, dass wir heute Abend gemeinsam am Kap feiern wollen. Ich werde wohl der Erste vorne sein und einen Lagerplatz suchen — sie werden mich schon finden!
    Im Supermarkt nebenan kaufe ich noch Brot, Wurst, Käse und Wein, dann geht es weiter durch den Ort; die Kirche hebe ich mir für morgen auf. Doch an Santa Maria das Areas komme ich nicht vorbei. Eine letzte wunderschöne alte Kirche auf dem Weg und auch hier weht es mich an: ein Ort zum Beten! Noch einmal danke ich und bitte für alle, die noch auf dem Weg sind. Vor dem Altar singe ich mein Pilgerlied und stelle erst beim Hinausgehen fest, dass ich nicht alleine war, sondern dass eine alte Frau und eine Handvoll junger Leute mir still und andächtig zugehört haben.
    Weiter, die glühheiße Straße entlang — das Kap will und will nicht kommen! Ein Parkplatz mit einem Brunnen — hier haben es sich zwei Wohnmobile bequem gemacht — die Hunde genießen das Wasser. Ich wasche mein Gesicht — weiter. Parkplätze, ein großes Gebäude, Andenkenbuden, der Leuchtturm — und jetzt geht es endgültig nicht mehr weiter: Ich stehe am Kap Finisterre, bin am „Ende der Welt“ angekommen.

    Der Professor kommt und macht Bilder von mir, wie ich am Kap stehe und hinausblicke auf den Atlantik. Ich sitze lange auf einem Felsblock und lasse die vergangenen drei Monate Revue passieren. Doch ich bin nicht so am Ende, mir ist nicht so zum Heulen wie in Santiago — nein, eine stille Freude erfüllt mich, stolz und Dankbarkeit: Ich bin am Ziel!
    Ich finde einen schönen Platz, etwas unterhalb des Kreuzes, mit kleinen Felsen, auf denen man sitzen kann. Ich packe meine Vorräte aus und richte mir ein paar Meter weiter unten über einem großen Felsen mein Nachtlager — hier laufe ich nicht Gefahr, im Schlaf die Klippen hinabzurollen! Nach und nach trudeln auch die andern ein.

    Die Dänen entfachen ein Feuer: Am Kap Finisterre ist es Brauch, seinen Pilgerstab und Wanderbekleidung zu verbrennen. Ich habe nichts zu verbrennen, doch ich finde die Zeremonie lustig. Die Sonne steht schon tief und ich frage die Anderen, ob ich eine kurze Andacht halten kann. Die jungen Leute meinen, ihnen brächte es nichts, doch ich solle nur machen, doch die Schweizerinnen nehmen den Gedanken gerne auf. Ich danke Gott, dass wir alle hier heil und gesund angekommen sind, bitte für alle, die während unseres Wegs an uns gedacht und auch für uns gebetet haben und schließe mit dem Vaterunser — und das höre ich nicht nur auf Deutsch und Englisch, sondern auch auf dänisch und das freut mich besonders. Dann, ehe wir in andächtiger Stille die Sonne untergehen lassen, singe ich den
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