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Lenke meine Fuesse Herr

Lenke meine Fuesse Herr

Titel: Lenke meine Fuesse Herr
Autoren: Christian Wittenberg
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letzten Vers des Pilgerliedes, nur das erste Wort habe ich abgeändert: „nun“ anstatt „wenn“:

    Nun am End des Wegs ich bin:
    Lass mich, Herr, dir danken,
    Bei dir sein mit Herz und Sinn,
    Wünschen und Gedanken!
    Lass mich ruhen fest in dir
    Und von dir nicht wanken!
    Du bist Weg und Ziel!

Heimkehr

    Zwei Tage bin ich als Urlauber in Fisterra geblieben, in einem schönen Privatzimmer mit Küchenbenutzung — eine wunderbare Einbauküche. Ich habe mich am Strand geaalt, habe gelesen, habe die drei jungen Deutschen eingeladen, bei mir zu duschen — die haben es tatsächlich fertiggebracht, mit einem Budget von 7,00 € pro Tag und Kopf über den Nordweg von Bayonne aus hierher zu wandern. Sie nächtigen am Strand und sind heilfroh über die Dusche. Am zweiten Abend kochen wir gemeinsam — die Riesenpaella, die meiner Schätzung nach für acht hätte langen müssen und die große Schüssel Salat verschwinden im Nu! Die Jungs sind fleißig beim Küchendienst und hinterher ist alles wieder blitzsauber!
    Samstag Vormittag : Ich habe gepackt und warte auf den Bus nach Santiago — und wen sehe ich da anmarschieren? Ich glaube den Schrei: „Zsolt!!!“ hat man bis nach Santiago gehört! Wir haben noch ein Bier zusammen getrunken, dann fuhr mein Bus.
    Wieder in Santiago. Noch einmal ein Privatzimmer, näher am Bahnhof. Am Pilgerbüro treffe ich den französischen Priester, den ich von Bercianos her kenne. Er freut sich sichtlich, mich zu sehen und nennt mich immer wieder „mon ami“. Bodil läuft mir über den Weg und lässt keine Ruhe, bis jemand mit ihrer Kamera ein Bild von uns beiden gemacht hat. Am Abend noch einmal die musizierenden Studenten unter den Kolonnaden, das jugendliche, lockere Flair der südländischen Universitätsstadt.
    Dann, am nächsten Vormittag, sitze ich im Zug nach Hendaya. Jetzt bin ich wirklich traurig, das Abenteuer Jakobsweg ist endgültig vorbei! Ich will nicht heim, ich will weiter laufen! Astorga: An der Bahnschranke stehen Pilger, verschwitzt, schwer bepackt — ich würde am liebsten die Notbremse ziehen und noch einmal mit ihnen gehen. Bei Leon sehe ich den Camino, die endlose Reihe junger Bäume, und die Pilger, die wie Ameisen dort entlangkriechen — ich war einer von ihnen!
    Hendaya: Warten auf den TGV nach Paris, in einem kleinen Restaurant ein miserables und teures Abendessen. Der nächtliche TGV: überfüllt, unbequem — kein Vergleich zum deutschen ICE! Paris: endloses Warten auf den Anschlusszug, der Gare de l’Est wird umgebaut: es gibt keine Schließfächer und keine Sitzgelegenheit: Ich streune etwas durch das Viertel, kaufe Essen für die Fahrt und gebe in einem Straßencafe für ein Croissant, einen Milchkaffee und ein Glas Orangensaft 12,00 € aus.
    Endlose Bahnfahrt nach Augsburg — Blick aufs Straßburger Münster! In Augsburg hat der Zug zehn Minuten Verspätung — doch der Anschlusszug nach Schwabmünchen hat gewartet. Dort steht am Bahnsteig Silvia — ich will sie aus der Umarmung gar nicht mehr loslassen, aber sie sagt: Du wirst erwartet!
    Am Bahnhofsplatz erwartet mich ein Empfangskomitee vom Männergesangverein: Man hat einen PKW-Anhänger mit einem großen Thronsessel ausgestattet, mit Efeu und Blumen dekoriert, dazu ein großes Transparent: „Christian 2500 Kilometer“. Die Presse ist da und macht Aufnahmen und jetzt werde ich schnurstracks zu Pfarrer Danner in die Abendmesse gefahren: Das hat er sich ausbedungen. Er unterbricht die Messe, als ich die Kirche betrete und begrüßt mich herzlich, ehe er fortfährt. Und nach der Messe bittet er mich in den Chor, ist sichtlich gerührt, als ich ihm eine Jakobsmuschel aus Santiago überreiche. Schließlich singt die ganze Gemeinde „Großer Gott, wir loben dich!“ — und ich stimme von ganzem Herzen ein.
    Dann die paar Schritte nach Hause. Mein Hund kommt aus dem Haus gestürmt, und er bellt mich an, erst verdutzt und dann jubelnd. Silvia hat einen kleinen Empfang vorbereitet, ich werde für die Zeitung interviewt, langsam verläuft sich die Gesellschaft.
    Und jetzt nehme ich Silvia noch einmal in die Arme:
    Ich bin wieder zuhause!

Was hat der Weg mir persönlich gegeben?

    „Was hattest du davon, diesen Weg zu machen?“ Das werde ich immer wieder gefragt — neben der Frage, was mich das gekostet hat. Ob es sich gelohnt habe, ob es die Mühe wert gewesen sei. Nun: Es war der Mühe wert. Es war die Strapazen und Anstrengungen, die Schmerzen und die Verzweiflung wert. Inwiefern?

    Ganz
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