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Lektionen (German Edition)

Lektionen (German Edition)

Titel: Lektionen (German Edition)
Autoren: Madeline Moore
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Blick zu. «Donna ist eine Cyberchonderin.»
    «Was ist das denn?» Mr. Meadows schaute von Sarah zu David.
    «Ein Hypochonder, der das Internet nach Krankheiten absucht», erklärte David. Zu Sarahs Erleichterung ließ er unerwähnt, dass sie manchmal ihn so nannte und er es deshalb wusste.
    «Sie glaubt, Alzheimer zu haben», erklärte Mrs. Meadows.
    «Bestimmt nicht! Sie muss doch wissen, dass sie zu jung ist –»
    «Nicht Alzheimer», stellte Mr. Meadows richtig. «Asperger-Syndrom.»
    «Richtig», bestätigte Mrs. Meadows. «Na, beide fangen mit A an. Was macht das schon für einen Unterschied? Nicht, dass sie es wirklich hätte, ebenso wenig wie chronische Erschöpfung oder Fybromialgie oder sonst eine Modekrankheit, die sie im Netz findet.»
    «Hat Donna Arbeit?»
    «Sie füllt das Haus mit Schrott an, der zu Installationskunst werden soll», meinte Mr. Meadows. Er lachte. Seine Wangen waren gerötet, wahrscheinlich vom Sekt.
    «Manchmal schafft es solcher Kram wirklich in die Kunstgalerien», wandte David ein.
    «Du bist furchtbar nett», sagte Mrs. Meadows. Sie legte ihre knochige Hand auf die von David. «Einer zum Festhalten.» Sie warf Sarah einen bedeutungsvollen Blick zu.
    Sarah verkniff sich eine spitze Bemerkung. Nachdem Mrs. Meadows fast ihr ganzes Leben als glühende Feministin verbracht hatte, war sie scheinbar über Nacht zu einer Verfechterin des Althergebrachten geworden. Hatte sie einst ihre kleinen Töchter ermahnt, sie sollten «ja nie heiraten, ja nie Kinder bekommen», so suchte sie heute neue Rollen auszufüllen – insbesondere jene der Braut- und Großmutter.
    «Oh, ich will nirgends hin», sagte David.
    David und Sarahs Dad waren sich darin gleich, dass beide einen freundlichen Anschein zu wahren trachteten. Warum hatte sie das nicht früher schon erkannt?
    Ihr Dad förderte einen Geburtstagsscheck über zweihundert Dollar zutage. Zusammen mit den Geschenken, die ihre Mutter ausgewählt haben dürfte, den Flugtickets und der Hotelrechnung machte das den elterlichen Besuch in Toledo zu einem teuren Versuch, ihr Freude zu bereiten. Sie klebte sich ein freudiges Lächeln ins Gesicht, aß ein großes Stück Torte und würgte es mit mehr von dem schauderhaften Sekt runter.
    Die Fahrt zum Flughafen dauerte ewig. Sarah saß auf der Rückbank von Davids Astra neben ihrer Mutter, damit ihr Dad vorne sitzen und auf Orte zeigen konnte, die er wiedererkannte.
    Mrs. Meadows fächelte sich das Gesicht, das auf einmal puterrot wurde. Das Tempo dieser Verwandlung war ebenso bestürzend wie die Tiefe des Farbtons.
    «David, bitte –»
    David sah Sarah im Rückspiegel an. «Was ist?»
    «Sie braucht Luft.» Mr. Meadows drehte die Klimaanlage voll auf. «Wechseljahre», fügte er an.
    «Ich muss das jetzt noch loswerden», begann Mrs. Meadows. «Ich bin stolz auf dich, Liebling, wirklich. Aber wenn du im Frühling deinen Abschluss machst, na ja, dann wird dir dein Philosophiediplom keine große Hilfe auf dem Arbeitsmarkt sein, nicht wahr? Schau dir mal die Wirtschaft an. Schau mal aufs –»
    «Aufs Große. Werde ich, versprochen.»
    «Achte drauf, alles auszuloten, mehr sag ich ja nicht. Vergeude nicht die Möglichkeiten, für die so viele Frauen so teuer bezahlt haben. Zum ersten Mal überhaupt kann ein Mädchen wie du wirklich alles erreichen.» Sie warf einen vielsagenden Blick auf Davids Hinterkopf.
    «Ich weiß. Ich bin dankbar dafür, ehrlich.» Sarah hielt jeglichen Hohn sorgfältig aus ihrer Stimme heraus. «Ich werd’s versuchen.»
    Sarah dachte über das Knäuel aus Widersprüchen nach, das ihre Mutter war. Gerade noch hatte sie ihren Büstenhalter verbrannt, und schon stopfte sie ihre Brüste in einen Push-up-BH, um ihrem Mann zu gefallen. Dieser Gedanke erinnerte sie daran, wie sie ihre Brüste mit beiden Händen zusammengedrückt hatte, um sie Jack entgegenzustrecken. Auweia. Sie spürte, wie sie rot wurde. Was ihre Mutter wohl dazu sagen würde?
    «Du könntest ein bisschen Make-up vertragen», stellte Mrs. Meadows fest. Sie puderte sich das Gesicht und tupfte nun ihre streifig orangefarbene Puderquaste auf Sarahs Nase. «Vielleicht kaufst du dir was mit deinem Geburtstagsgeld.»
    «Na gut», sagte Sarah.
    Ihre Mutter tätschelte Sarahs Knie. «Strumpfhosen brauchst du anscheinend auch. Dein Vater möchte aber, dass du dir von dem Geld ein Handy kaufst.»
    «Hat er nicht gesagt.»
    «Würde er auch nie tun, stimmt’s? Aber das wäre sein Wunsch. Wir würden dich gern wohlbehalten
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