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Leise weht der Wind der Vergangenheit

Leise weht der Wind der Vergangenheit

Titel: Leise weht der Wind der Vergangenheit
Autoren: Sarit Graham
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denn?“
       „Britta." Annes Stimme klang triumphierend. Noch immer starrte sie ihn an. Es war wie ein heimlicher Machtkampf zwischen zwei gleichwertigen Partnern. „Finden Sie nicht auch, dass der Name ausgezeichnet passt? Mary gefällt er nicht.“
       Mr. Simpson antwortete nicht. Sein Gesicht war so weiß geworden wie die Fassaden der wenigen gekalkten Häuser, die wie Kleckse das eintönige Grün der mageren Landschaft unter-brachen. „Ich... verstehe nicht..." stammelte er, dann blickte er Mary hilfesuchend an. „Soll ich Ihnen jetzt zeigen, wie sie zu Maureen House gelangen?“
       „Das wäre sehr nett von Ihnen, Mr. Simpson", antwortete Mary verwirrt. Verständnislos hatte sie den kurzen Wortwechsel zwischen dem Schulleiter und ihrer kleinen Schwester verfolgt und eigentlich gar nichts davon begriffen. „Ist es sehr weit von hier?“
       Nur schwer konnte sich Gregory in der Gegenwart einfinden. Abschätzend betrachtete er Anne, die sich interessiert die Umgebung anschaute. „Im Frühsommer ist es bei uns sehr schön", sagte er leise, als würde er nur mit dem Mädchen sprechen. „Wenn du willst zeige ich dir den Weg zum Meer. Josh geht manchmal dahin, wenn er sich einigermaßen danach fühlt.“
       „Ist Ihr Sohn krank?" Mary fühlte sich regelrecht über-flüssig. Sowohl der Schulleiter als auch Anne schienen sie einfach vergessen zu haben.
        „Wir haben uns an sein Leiden gewöhnt", antwortete er ausweichend. Er starrte Anne nach, die sich ein ganzes Stück von ihnen entfernt hatte. Das Mädchen ging rasch und zielstrebig, als würde es ein bestimmtes Ziel ansteuern.
      „Vielleicht hat er die Trennung von seiner Mutter nicht verkraftet. Sie hielt die Einsamkeit hier nicht aus, deshalb musste ich sie gehen lassen." Mary konnte ihm ansehen, dass er nicht ganz die Wahrheit sagte. Doch seine Geschichte ging sie im Grunde genommen gar nichts an, deshalb fragte sie auch nicht weiter.
       „Anne ist ebenfalls krank", sagte sie nur. „Vor drei Jahren, nach dem plötzlichen Tod unserer Eltern, ging es ihr immer schlechter. Die Lunge, sagen die Ärzte. Deshalb haben wir unsere Heimat aufgegeben, um ans Meer zu ziehen. Die Ärzte meinten, hier hätte sie eine Chance.“
      Ratlos schüttelte Gregory Simpson den Kopf. „Es stimmt", sagte er leise, „es stimmt alles." Wie erwachend blickte er sie an. „Sollten Sie Ihre Schwester nicht lieber zurückholen? Am Nachmittag ist es hier empfindlich kühl, wenn nicht gerade die Sonne scheint. Es ist eben noch nicht Sommer", fügte er plötzlich mit veränderter Stimme hinzu. Er hatte offensichtlich seine Fröhlichkeit wiedergefunden.
       „Anne, komm her. Wir wollen fahren!“, rief Mary und winkte ihrer kleinen Schwester zu. „Wo ist Maureen House?" Fragend blickte sie den Schulleiter an. Eben war ihr eingefallen, dass sie diese Frage schon einmal gestellt, jedoch keine Antwort darauf erhalten hatte.
       „Sie fahren die Strasse entlang bis zur Kirche, dann nach rechts am Friedhof vorbei", erklärte er. „Maureen House ist ein rot gestrichenes Häuschen mit grauem Dach, das einzige in dieser Farbe übrigens", fügte er hinzu. „Ich bin sicher, dass es Ihnen gefallen wird. Es gehörte einer alten Seemannswitwe, die vor fast fünfzehn Jahren gestorben ist." Hastig blickte er zur Seite.
       „Seitdem hat niemand mehr in diesem Haus gewohnt?“
       Greg biss sich auf die Lippen. Mit der rechten Hand fuhr er sich erregt durch das dunkle Haar, das schon einige Silberfäden aufwies. „Für kurze Zeit lebte dann eine Witwe dort mit ihren beiden Töchtern. Doch die Leute sind auch nicht lange geblieben." Sein Gesicht war finster, doch in seinen wasserblauen Augen flackerte Angst.
       Mary hätte gern noch weitergefragt, doch eine innere Stimme sagte ihr, dass es im Moment wohl besser war zu schweigen. Sie öffnete die Autotüre, um Anne einsteigen zu lassen. „Gefällt es dir hier?“, fragte sie, nur um etwas zu sagen.
       „Ich bin überzeugt, dass wir an diesem Ort bleiben, solang ich lebe." Das Mädchen setzte sich und legte den Sicherheitsgurt an. „Grüßen Sie Josh bitte von mir", sagte sie zu dem Lehrer, der schweigend dastand und die Hände in den Hosentaschen vergraben hatte. Sie hob ihre Puppe ans Fenster. „Britta möchte sich bei Ihnen bedanken, weil Sie so freundlich waren.“
       Greg Simpson presste die Lippen zusammen. Er sagte nichts zu Annes Worten, sondern wandte sich an Mary. „Wenn Sie etwas
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