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Leise weht der Wind der Vergangenheit

Leise weht der Wind der Vergangenheit

Titel: Leise weht der Wind der Vergangenheit
Autoren: Sarit Graham
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dem Sturm, der nur für einen Moment lang innegehalten hatte.
       Joshua schüttelte den Kopf. „Du bist wieder da?“, fragte er mit bebender Stimme, und ein heiseres Schluchzen schüttelte seinen mageren Körper. „Warum zeigst du dich nicht? Ich suche dich doch..." Keuchend taumelte der Junge weiter in Richtung Klippen. Der Boden war hier noch steiniger und die Gefahr, zu stolpern, für den schwächlichen Zwölfjährigen noch größer. Dennoch ließ er sich nicht beirren. Er musste ergründen, wer mit solch einer sanften Stimme zu ihm sprach. War es die Mutter, die er nie kennen gelernt hatte und von der er glaubte, dass sie tot war?
       Eine schwarze Wolke schob sich vor den Mond. Auf einmal war es stockfinster. Joshua zuckte zusammen. Ein stechender Schmerz durchfuhr seinen Körper. In diesem Moment war er davon überzeugt, von einem scharfen Schwert durchbohrt zu werden, das ihn in zwei Teile zerschnitt. Er bekam keine Luft mehr. Röchelnd stürzte er zu Boden. Die scharfen Steine stachen in seinen Rücken und hinderten ihn daran, in eine gnädige Ohnmacht zu fallen.
       „Hilfe", kam es schwach über seine blutleeren Lippen. Er konnte sich kaum mehr bewegen. Mit entsetztem Blick, in dem sich die Todesfurcht widerspiegelte, starrte er zum schwarzen Himmel. Vor seinen Augen tanzten rote Kreise und das Atmen fiel ihm immer schwerer.
       Joshua bemühte sich zu husten, um sich ein wenig Erleichterung zu verschaffen. Es wurde nur ein heiseres Krächzen daraus. Sein Hals wurde immer enger, seine Beine fühlten sich an wie dicke geschwollene Klumpen.
       „Joshua, warum hast du nicht auf mich gehört?"
       Da war sie wieder, diese liebevolle, sanfte Stimme, die seinen geschundenen Körper streichelte wie die zärtliche Hand einer Mutter. Oh, würde sie doch nie mehr aufhören, zu ihm zu sprechen.
       „Wer bist du?“, hörte Josh seine Stimme fragen, und es erschien ihm, als gehörte sie gar nicht zu ihm. „Hilf mir, ich... ich sterbe.“
       „Noch stirbst du nicht", antwortete die Stimme.
       „Wo bist du?" Der Junge bemühte sich, mit seinem Blick die Dunkelheit zu durchdringen. Mühsam hob er seine Hand und streckte sie in die Richtung, in der er dieses freundliche und doch auf eine seltsame Weise auch unheimliche Wesen vermutete.
       „Hier bin ich." Eine kühle, schmale Hand ergriff die seine. „Halt dich fest, dann helfe ich dir hoch. Du darfst hier nicht liegen bleiben, sonst stirbst du, noch ehe deine Mission erfüllt ist.“
       „Nimmst du mich dann mit?" Joshua war erstaunt über seine eigene Frage. Er hatte zuvor nicht darüber nachgedacht, doch jetzt erwartete er von dem Mädchen, das er noch immer nicht sehen konnte, eine freundliche Zustimmung.
       „Deine Zeit ist noch nicht gekommen, Josh. Vielleicht später..." kam die ausweichende Antwort. „Steh endlich auf. Ich hab auch nicht mehr viel Zeit. Belinda wartet auf mich.“
       „Belinda?“
       „Meine Schwester. Steh endlich auf, Josh, ich hab schon kalte Füße." Jetzt klang die Stimme drängelnd. Der Griff der kleinen Mädchenhand war unerwartet fest.
       Wenig später stand Joshua auf den Beinen. Er fühlte sich noch immer schwach und zittrig, doch von der Hand ging solch eine Kraft aus, dass sie auch für ihn ausreichte. „Wo bist du?“, fragte er und schaute sich vorsichtig um.
       Ein helles Lachen war die Antwort. In diesem Moment blinzelte der Mond erneut zwischen den Wolkenbergen hindurch. Jetzt konnte der Zwölfjährige seine Retterin sehen. Es war ein hübsches Mädchen, etwa in seinem Alter, mit dunklen langen Locken, in denen sich jetzt die Strahlen des Mondes verfingen.
       „Zufrieden?“, fragte die sanfte Mädchenstimme.
       Josh blickte an ihr herunter. „Frierst du nicht? Was treibst du um diese Zeit, bei diesem Wetter hier draußen? Noch dazu in solch einer Verkleidung. Du wirst dir den Tod holen.“
       Wieder lachte das Mädchen. „Ich bringe dich heim, damit du dich nicht verirrst", sagte es statt einer Antwort. „Dein Vater wartet bestimmt schon auf dich.“
       „Kennst du meinen Vater?" Er starrte das fremde Mädchen an, das ihm plötzlich wie eine Erscheinung aus einer fremden Welt vorkam. Ihre Füße steckten in zarten Ballettschuhen, ihre schlanken Beine bedeckte eine weiße Strumpfhose, und ihren zierlichen Mädchenkörper umgab ein schimmerndes Ballettkleidchen wie der Hauch eines Traumes. Ein liebes Gesichtchen, in dem die großen blauen Augen besonders
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