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Leipziger Affären - Kriminalroman

Leipziger Affären - Kriminalroman

Titel: Leipziger Affären - Kriminalroman
Autoren: emons Verlag
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hergaben. Es war ein gewöhnungsbedürftiger Anblick auf dem alternden Frauenkopf.
    Während die Kaffeemaschine blubberte, wippte Henne in seinem Bürosessel, die Beine auf den Papierkorb gelegt, die Hände im Genick verschränkt. Seine Schuhe trockneten derweil auf dem Heizkörper. Nebenbei verleibte er sich zwei Brötchen ein und sah Leonhardt beim Tippen des Erstberichts zu.
    »Was hast du von Gordemitz erfahren?«, fragte er.
    Leonhardt schaute von der Tastatur hoch. »König war nicht gerade beliebt. Gordemitz musste ständig damit rechnen, dass er gefeuert wird. Den anderen ging es ebenso.«
    »Das hat Heiligenbrand auch gesagt.«
    »Glaubt man Gordemitz, ist Heiligenbrand ein Spinner, ein Windhund, ein bequemer Sack, ein Möchtegern-Chef und dazu noch ein Alkoholiker. Letzteres hat sich wohl erst vor Kurzem herausgestellt.«
    »Nette Beschreibung.«
    »Es kommt noch besser. Heiligenbrand soll die Arbeiter ausspioniert haben.«
    »In Königs Auftrag?«
    »Oder um sie auf eigene Rechnung zu erpressen. Das wusste Gordemitz nicht. Jedenfalls haben der Dürre und König oft die Köpfe zusammengesteckt. Dabei ist nie was Gutes rausgekommen, sagt Gordemitz.«
    »Und was meint ein Hagen Leonhardt dazu?«
    »Nenn mich nicht Hagen, du weißt, wie sehr ich den Namen verabscheue.«
    »Heiligenbrand und König«, sagte Henne. »Das passt irgendwie nicht zusammen.« Der Dürre hatte ziemlich abfällig über König geredet.
    »Eine Hassliebe. Die haben oft auf ein Herz und eine Seele gemacht, genauso oft gab es aber auch Krach. Zuletzt am Montag.«
    »Das war vor zwei Tagen.«
    »Es ist um irgendwelche Betonpfeiler gegangen. Das glaubt zumindest Gordemitz.«
    Henne malte in seinem Notizbuch ein dickes Fragezeichen hinter Heiligenbrands Namen. »Ist der Kaffee fertig?«
    »Kommt sofort.«
    Henne nahm Leonhardt den Pott ab und trank. Wie immer verbrannte er sich beim ersten Schluck die Zunge. »Muss der immer so heiß sein?«
    Er pustete in die Tasse. Aus den Augenwinkeln sah er Leonhardt grinsen. Er ahnte, was seinem Assistenten durch den Kopf ging. Hagen Leonhardt hatte ihm einmal erzählt, was seine Großmutter zu antworten pflegte, wenn man sich über zu heißes Essen beschwerte: Kaltfeuer gibt es nicht . Henne griff nach dem Bericht. Er überflog ihn und setzte dann seinen Kringel darunter, unleserlich wie immer.
     
    Henne hatte beschlossen, sich nicht auf den Postweg zu verlassen, sondern den Obduktionsbericht eigenhändig aus der Rechtsmedizin zu holen. Das Rechtsmedizinische Institut befand sich keine zwei Kilometer von der Polizeidirektion entfernt auf dem Gelände des Universitätsklinikums, eingebettet zwischen den Gebäuden der Virologie und Immunologie, der Medizinischen Mikrobiologie, der Liebigstraße und der Johannisallee.
    Der Regen war in gleichmäßiges Nieseln übergegangen. Grund genug, fand Henne, um für die kurze Entfernung das Auto zu nehmen.
    »Ich würde zu gerne wissen, wie viel Zeit Dr. Schemkeler diesmal braucht«, sagte Leonhardt, als Henne startete.
    »Auf den lasse ich nichts kommen.« Schemkeler war der einzige obduzierende Arzt, den Henne leiden konnte.
    Er parkte direkt vor der Tür der Rechtsmedizin im Halteverbot. Leonhardts beredte Blicke kümmerten ihn nicht. Stattdessen blickte er hoch zu der altdeutschen Inschrift über der Eingangstür, Überbleibsel aus der Gründungszeit anno 1900: »Institut für Gerichtliche Medizin«.
    Im Innern des Gebäudes war es kühl. Fröstelnd schlug Henne den Kragen seiner Jacke hoch, und sie folgten der Ausschilderung zur Leichenaufbewahrungshalle.
    Schemkeler erwartete sie bereits in dem nüchternen Raum, der von Edelstahl und Fliesen beherrscht wurde.
    »Ich habe ihn wieder zusammengeflickt. Sie können ihn beruhigt betrachten.« Sein Ton war sachlich, weit entfernt von jeglicher Ironie.
    Henne war dankbar, dass Schemkeler keine Anspielung auf die Übelkeit machte, die ihn gewöhnlich beim Anblick der nackten, starren Körper packte, denen noch die Spuren der Obduktion anzusehen waren. Das unterschied den Mediziner von seinen Kollegen, die keine Gelegenheit ausließen, dem unbequemen Oberkommissar eins auszuwischen.
    Die spitze Nase des Toten auf dem Stahltisch stach aus seiner ungesunden Haut. Das war das Erste, was Henne auffiel. Dann der verzogene Mund. Heiligenbrand hatte recht, er wirkte tatsächlich gemein.
    »Woran ist er gestorben?«, fragte Henne.
    »Das zeige ich Ihnen gleich. Kommen Sie mit, wir müssen in die Toxikologie.« Schemkeler
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