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Leif - Hungrig nach Leben: Ein jugendlicher Liebesroman

Leif - Hungrig nach Leben: Ein jugendlicher Liebesroman

Titel: Leif - Hungrig nach Leben: Ein jugendlicher Liebesroman
Autoren: Silke Heichel
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nie übers Herz, ihr die ganze Wahrheit zu sagen. Dass ich keine Lust darauf hatte, dass sie mir neun Monate lang hinterher rennt. Denn ich weiß, das hätte sie getan. Aus Panik, ihrem Enkelkind könnte etwas zustoßen und einfach aus der Tatsache heraus, dass sie nach einem neuen Sinn in ihrem Leben und nach Beschäftigung suchte. Ich hatte sie wirklich gern, das habe ich immer noch und ich wollte immer, dass sie Teil des Lebens ihres Enkels ist. Ich habe es nur in der ersten Zeit nach Leifs Tod nicht ertragen, sie zu sehen. Ich kämpfte mit meiner eigenen Trauer; ich hatte meine eigenen Ängste, den einzigen Menschen verlieren zu können, in dem Leif weiterlebte. Ich wollte ihre Tränen nicht sehen, ich hatte selbst genug. Ich brauchte es nicht, überbemuttert und überumsorgt zu werden.
    Ich wollte, dass alles gut geht. Für uns beide. Ich glaube nicht, dass sie einen weiteren Verlust – den ihres einzigen Enkelkindes – verkraftet hätte. Und diese Wahrheit sagte ich ihr auch.
    Als René geboren war, tauchte sie – wie erwartet – täglich auf. Sie hatte eine Menge Tipps und Ratschläge auf Lager, sie unterstützte mich, wo sie konnte, und sie überhäufte René mit ihrer Liebe. Doppelt und dreifach, weil sie Leif damit nicht mehr überhäufen konnte. Sie selbst blühte dabei wieder auf und so wurde es mit der Zeit sehr angenehm, sie so häufig zu sehen und am Ende war ich dankbar, weil sie die eine Hälfte der Omafraktion wurde, die auf ihn aufpasste, während ich für meine berufliche Zukunft sorgte.
    Ich bin übrigens heute Hebamme, vor kurzem habe ich eine leitende Stelle in unserer Klinik übernommen.
    Wenn ich so zurückblicke, frage ich mich oft, wie ich es hinbekommen habe. Abitur, Ausbildung, Weiterbildung und alles mit Kind! Es war nicht immer leicht, genau genommen war es hart. Das Abitur schaffte ich im zweiten Anlauf, weil ich wegen der Trauer um Leif, der Schwangerschaft, der Geburt und der Zeit danach viele Fehlzeiten hatte und auch die Ausbildung musste ich aus demselben Grund verlängern. Letztlich habe ich es hinbekommen, aber ohne die Unterstützung beider Großelternpaare meines Sohnes hätte es nicht geklappt. Sie helfen auch heute noch, wo es geht.
    Bis zu Renés Geburt wusste ich nicht, was ich nach dem Abi machen sollte. Ein Studium? Eine Ausbildung? Und dann wurde ich Zeuge des größten Wunders unserer Welt: eines neuen Lebens. Es hat mich so sehr beeindruckt, ich wollte es immer wieder erleben. Noch dazu liebe ich Babys, aber ich habe weder einen Mann, mit dem ich eine Fußballmannschaft gründen könnte, noch bin ich erpicht darauf, Gebärmaschine zu spielen. Ganz abgesehen davon, dass es viel zu lange dauern würde. Als Hebamme kann ich das Wunder jeden Tag erleben. Natürlich enden nicht alle Schwangerschaften so und jede einzelne, die schief geht, zerbricht auch mir das Herz. Es ist traurig und schrecklich, aber auch Verluste gehören zum Leben.
    Ich begleite andere Frauen in ihrer Schwangerschaft, stehe ihnen bei der Geburt zur Seite, übernehme die Nachsorge. Natürlich ist es anstrengend. Ich arbeite im Schichtdienst, ich bekomme wenig Schlaf, aber das bin ich als Mutter gewöhnt und jedes neue Baby, das mit meiner Hilfe das Licht der Welt erblickt, ist es wert, weiterzumachen.
    Ich weiß, dass ich all das – meinen Beruf, meinen Sohn, meine Einstellungen und Überzeugungen und die Tatsache, dass ich die bin, die ich bin – nur einem einzigen Menschen verdanke: Leif.
    Ich gehe noch immer nicht gern Risiken ein. In meinem Beruf kann das fatale Folgen haben, privat fehlen mir die Gelegenheiten. Letzteres ist vielleicht mehr eine Ausrede als die Wahrheit. Selbst wenn sich mir die Gelegenheiten böten, ich kniffe mit ziemlicher Sicherheit. Aber mein Leben steckt jeden Tag voller Überraschungen. Positive wie negative. Denn jede Geburt ist einzigartig.
    Meine Spontanität wird oft gefordert, viel Zeit zum Nachdenken über alle möglichen Konsequenzen bleibt nicht. Meine Entscheidung muss umgehend erfolgen. Vieles entscheide ich erfahrungsgemäß, weil ich die eine oder andere Situation schon häufiger erlebt habe. Aber auch im medizinischen Bereich arbeiten nur Menschen. Die Fehler machen. Die manchmal unsicher sind, weil sich etwas anders entwickelt, als das Lehrbuch es vorsieht. Dann kommt es vor, dass ich auf mein Bauchgefühl hören muss und erst hinterher wird mir klar, welches Risiko ich eingegangen bin. Meistens geht alles gut. Hin und wieder muss ich erkennen, dass die
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