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Leiden sollst du

Leiden sollst du

Titel: Leiden sollst du
Autoren: Laura Wulff
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den er zuvor außerhalb ihrer Reichweite ins Gras geworfen hatte, aufhob.
    Sie hätte aufspringen und wegrennen sollen. Aber links von ihr war die Mauer, rechts ein Stapel mit Paletten und vor ihr der Rhein. Außerdem konnte sie sich eh nicht bewegen. Unter anderen Umständen hätte sie es saukomisch gefunden, dass, obwohl ihr Körper vor Furcht bebte, sich ihre Glieder gleichzeitig wie gelähmt anfühlten, etwas, das eigentlich gar nicht möglich war.
    Den Bügel hatte er irgendwo im Garten gefunden, hatte ihn aufgebogen und das spitze Ende grob in ihren Unterleib gestochen.
    Panisch presste sie jetzt ihre Oberschenkel zusammen.
    Doch er spielte ein neues Spiel. Er hieb auf sie ein. Zuerst auf den Po, dann auf die Rückseite ihrer Beine und schließlich auf den Rücken. Wenn sie herumzappelte, knallte er den Draht noch härter auf ihren Körper.
    Verzweifelt schützte sie mit den Armen ihren Kopf. Ihre Wangen waren nass. Sie wunderte sich, dass sie überhaupt noch weinen konnte, wo sie doch schon heulte, seit diese Hölle begonnen hatte.
    Als ihre Haut an den Schultern das erste Mal aufriss, schrie sie so laut, dass irgendjemand sie hätte hören müssen.
    Wäre die Musik auf der Party nicht so laut, dass sie die ganze Nachbarschaft beschallte.
    Wäre das Industriegebiet nicht nachts wie leer gefegt.
    Und wäre ihr Schrei nicht so heiser gewesen, weil sie schon die ganze Zeit über wimmerte.
    Verzweifelt schluchzte sie. Sie verschluckte sich an der eigenen Spucke und begann zu husten.
    Als hätte er Mitleid mit ihr, hörte er auf, sie zu schlagen. War dieser Horror endlich vorbei?
    Sie erschrak, als er fortfuhr, ihre Kehrseite mit Hieben zu überziehen, die so höllisch schmerzten, dass ihr die Luft wegblieb.
    Blut rann zwischen ihren Schulterblättern hinab, als weinte ihr Körper durch die Wunden rote Tränen.
     

1
     
    Heute war einer dieser Tage, an denen einfach alles schiefging. Er hatte für Benjamin Mannteufel schon bescheiden angefangen. Nach dem Gesetz der Serie konnte er nur in einem Albtraum enden.
    Erst war Ben am Morgen der Bus vor der Nase weggefahren. Er hatte auf den nächsten warten müssen und kam zu spät zum Unterricht. Eintrag ins Kursbuch. Wieder einmal.
    Dann stand auch noch eine Matheklausur an, die er voll versemmelt hatte. Das wusste er, auch ohne dass er das Ergebnis kannte, denn das Blatt, auf denen die Antworten hätten stehen sollen, hatte ziemlich leer ausgesehen.
    Und als er nachmittags von der Schule nach Hause kam, hatte seine Mutter auch noch sein Zimmer aufgeräumt. Wie er das hasste! Er war doch kein Kleinkind mehr. Das Chaos gehörte zu ihm wie das kleine Notizbuch, das er immer bei sich trug, um spontan etwas zu zeichnen. Er fühlte sich wohl zwischen den leeren Cola-Flaschen, den Turnschuhen und getragenen Klamotten, die überall herumlagen, sogar auf der Fensterbank.
    Außerdem konnte er es auf den Tod nicht leiden, wenn seine Mutter seine Sachen durchwühlte. Sie spionierte ihm nicht hinterher, aber sie könnte auf Dinge stoßen, die sie nichts angingen, die besser unter den Wäschebergen vergraben blieben. Jeder hat ein Recht auf seine kleinen Geheimnisse, fand Ben, besonders ein Achtzehnjähriger.
    Geocaching war eins davon. An sich gab es daran nichts zu verheimlichen. Aber seitdem er gegen GeoGod antrat, trieb er sich illegal auf Privatgrundstücken herum, er brach in Gartenlauben ein und verschaffte sich Zugang zu fremden Kellern.
    Er wollte niemandem schaden. Es war nur ein Spaß. Harmlos. Bis man ihn erwischen würde.
    Das war ihm bisher nicht passiert. Auch heute Abend würde er ungeschoren davonkommen. Im Schutz der Dunkelheit zum Schatz rennen, mit seinem Smartphone ein Beweisfoto vom Inhalt der Kiste machen, dann noch schnell was immer darin war gegen sein abgewetztes Kölner-Haie-Cap umtauschen, und nichts wie weg.
    So wollte es GeoGod, der sich auch „Patron“ nannte. Als Spielleiter diktierte er die Regeln.
    Und die waren aufregender als normales Geocaching, bei dem man mithilfe eines Global-Positioning-System-Geräts und Koordinaten einen versteckten sogenannten Cache suchte und den Fund auf einer Internetplattform eintrug – was niemanden einen Furz interessierte. Meistens bekam man kein Feedback, keinen Applaus, nichts.
    GeoGod war da anders. Er interessierte sich für Benjamin, er beobachtete ihn genau und lobte ihn. Nach einer Prüfung, durch die er sich qualifizieren musste, hatte er ihn als Spieler akzeptiert. Nur Auserwählte durften gegen ihn
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