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Leichtmatrosen küsst man nicht - Roman

Leichtmatrosen küsst man nicht - Roman

Titel: Leichtmatrosen küsst man nicht - Roman
Autoren: Bastei Lübbe
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starb.«
    Ven fröstelte. Irgendwer hatte sich einen komischen Scherz mit ihr erlaubt.
    »Wie steht es mit heißer Malzmilch im Café Parisienne?«, fragte Olive.
    »Los geht’s«, antwortete Roz und marschierte voran.
    »Ich frage mich, ob der Captain den Lippenstift wieder abbekommen hat«, murmelte Ven.
    Roz hakte sie unter und zog sie mit sich. »Falls nicht, hat er eine bleibende Erinnerung an dich. Das ist doch gut.«
    Sie saßen im eleganten Café Parisienne, knabberten winzige Muffins und tranken cremige Malzmilch, während sie beobachteten, wie die Kreuzfahrerwelt an ihnen vorüberzog. Teenager gingen draußen vorbei, die sich tränenreich an ihre neuen Freunde klammerten und versprachen, für immer in Kontakt zu bleiben; kleine Kinder trugen ihre Kunstwerke und Naschtüten aus den Spielclubs; Paare gingen hinaus auf die mittlerweile sehr kühlen, windigen Decks, um einen letzten romantischen Blick aufs Meer zu werfen. Die Kellner zogen die Rollläden an den Bars herunter, und das Café Parisienne ließ keine neuen Gäste mehr herein.
    Nach ihrem letzten Schluck gähnte Olive und sagte: »Ich bin erledigt, Leute. Ich gehe ins Bett.«
    »Ich auch«, pflichtete Roz ihr bei.
    »Und ich erst«, sagte Frankie. »Morgen muss ich reichlich vögeln, da sollte ich heute Nacht genug Schlaf kriegen.«
    »Du Glückliche.« Roz atmete tief ein und aus. »Hoffentlich erwartet mich Ähnliches.«
    »Wollen wir morgen zusammen frühstücken? Sollen wir unsere Wecker auf sieben stellen?«
    »Wieso, wir sind doch nur vier«, scherzte Olive, obwohl sie sich mit jeder Minute mulmiger fühlte.
    »Ho-ho!«, riefen die anderen drei.
    »Ich gehe noch ein bisschen Luft schnappen«, sagte Ven. Sie umarmte ihre Freundinnen und fuhr mit dem Lift ganz nach oben. Dort trat sie hinaus in die stille, windige Dunkelheit.
    Sie vergewisserte sich, dass niemand in der Nähe war, ehe sie leise rief: »Florence! Dennis!« Es war lächerlich, keine Frage, denn sie hatte garantiert keine Geister gesehen. Die gab es nicht.
    Es kam keine Antwort. Aber die hatte sie eigentlich auch nicht erwartet. Sie war ja nicht Derek Acorah, das berühmte Medium. Ihr fiel keine Erklärung für Florence und Dennis ein, die sie hier ja tatsächlich getroffen hatte. Allerdings kamen ihr Florences Worte wieder in den Sinn: Vielleicht ein kleines Stück vom Himmel? Und in dem Augenblick wusste Ven, falls ein solcher Ort existierte, war er ein Schiff, das durch einen Nebel fröhlicher Geister segelte. Womöglich schwebten irgendwo unbemerkt zwischen all den Touristen ihre Eltern in ihrem eigenen Himmel.
    »Zeit fürs Bett«, sagte sie zu sich und öffnete die Tür nach drinnen, als sie im Augenwinkel eine zarte Bewegung wahrnahm. Es war ein tanzendes Paar, das sich drehte, wobei schwarze Pailletten aufblinkten   – dann war es fort.
    Frankie schleppte ihre Koffer aus der Kabine, damit sie morgen früh an Land gebracht werden konnten, zog sich aus und kniete sich neben ihr Bett. Jeden Abend sprach sie mit Gott und bat ihn, auf die aufzupassen, die sie liebte. Heute Nacht brauchte sie es richtig förmlich, kniend und mit gefalteten Händen.
    »Lieber Gott. Danke für dieses wunderbare Leben, und bitte beschütze meine Familie und meine Freunde«, begann sie wie immer, ehe sie noch ein Extra hinzufügte. »Lieber Gott, du hast mir das schönste Geschenk von allen gemacht, indem du mir meine Gesundheit zurückgegeben hast. Falls es nicht zu viel verlangt ist, würde ich dich um drei weitere Wunder bitten. Bitte hilf Olive, sich von diesen verdammten Hardcastles zu trennen   – tut mir leid, dass ich geflucht habe   – und bitte, bitte gib Roz eine Chance, die Sache mit Manus wieder hinzubekommen. Und BITTE, kannst du nicht irgendwas tun, damit Ven einen netten Mann findet? Wenn du es schaffst, dass der nette Mann zufällig Captain Nigel ist, gehe ich auch jede Woche zur Beichte. Na ja, jeden Monat zumindest. Nicht dass ich viel zu beichten hätte, denn ich werde sehr brav sein. Du glaubst gar nicht, wie brav. Amen.« Während sie sich bekreuzigte, ergänzte noch ein weiteres »Bitte«.

Southampton

73. Kapitel
    Am nächsten Morgen war es unheimlich still auf dem Schiff. Ven zog ihre Vorhänge auf und sah einen bewölkten Himmel über stahlgrauem Meer. Anscheinend hatte die Sonne sich gleich die Mühe gespart, aufzugehen. Vermutlich hatte sie kurz mit einem Auge geblinzelt, »Das ist ja wohl ein Scherz«, gesagt und sich gleich wieder die Decke über den Kopf
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