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Leichte Turbulenzen - Roman

Leichte Turbulenzen - Roman

Titel: Leichte Turbulenzen - Roman
Autoren: C. Bertelsmann
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weil ich annahm, dass Sie eine Frühaufsteherin sind. Stimmt das nicht?«
    »Doch.« Am liebsten hätte Ivy vor Kummer oder Rührung geweint. »Ja, … aber warum haben Sie mich denn nicht gesehen? Ich war zwanzig nach acht da. Und um kurz nach zehn hab ich mich auch noch mal neben den Imbiss-Wagen gestellt.«
    »Neben diesen Hotdogstand? Da stand ich ab Viertel nach acht bis kurz vor zehn im strömenden Regen und habe mich komplett durchnässen lassen. Für Sie!« Desmond sah Ivy an.
    Der Flieger legte sich in eine steile Linkskurve.
    Ivy zwinkerte nervös. »Auf welcher Seite vom Imbisswagen standen Sie denn?«
    »Auf der rechten, von der Marylebone aus gesehen.«
    »Ich bin schnell links vorbei, in den Personaleingang hinein, weil es so geregnet hat.«
    Die Maschine richtete sich wieder aus. Nun lag der Flieger ganz ruhig in der Luft. Ivy richtete sich ebenfalls auf und strich mit der Hand über den roten Stoff ihres Albums. »Haben Sie vielleicht Lust, sich mit mir das Fotoalbum meiner Familie anzusehen?«
    »Gern. Sobald die Anschnallzeichen erloschen sind.« Desmond grinste. Und Ivy verstand.
    »Und haben Sie schon etwas für eine Komödie komponiert? Mit Reese Witherspoon?«
    Desmond wiegte den Kopf. »Komponiert habe ich, aber nicht für Reese Witherspoon. Davon hatten Sie mir ja dringend abgeraten. Wegen ihrer unschönen Füße im Johnny-Cash-Film.«
    Ivy biss sich verlegen auf die Lippe. Schließlich gestand sie es aber doch: »Es war sehr schwierig, Ihre Mailadresse bei ABC herauszubekommen. Ich musste dort wirklich sehr oft dort anrufen.«
    »Danke, dass Sie sich die Mühe gemacht haben. …« Mit einem Mal bekam Desmonds Gesicht eine leicht rötliche Färbung.
    »Nur … warum haben Sie so lange nicht auf meine Mail reagiert?«
    Ivy zuckte mit den Schultern. »Weil ich sie nicht verstanden habe.«
    Bevor Desmond antworten konnte, kamen die Stewardessen mit ihrem Getränkewagen vorbei und wollten wissen, was Ivy und Desmond trinken wollten. Nachdem sie ihnen zwei Baileys auf Eis serviert hatten, fuhr Ivy fort: »Was meinten Sie denn damit, dass sie die Lichtverhältnisse geändert haben?«
    Desmond nippte an seinem Plastikbecher. Offenbar war ihm seine Mail inzwischen selber etwas unangenehm. Er nuschelte: »Ich hatte gehofft, dass sie mich das per Mail fragen.«
    Ivy zog die Augenbrauen hoch. »Ach, ja?«
    »Ja! Dann hätte ich Ihnen erzählt, dass ich nach Südfrankreich geflogen war, um für Sie die Orte zu besuchen, die Sie vermutlich in nächster Zeit nicht bereisen würden, es sei denn Sie stehen auf tagelange Zugfahrten.«
    Ivy konnte nicht anders, als benommen den Kopf zu schütteln.
    »Also bin ich durch Arles gelaufen und hatte Sie immer dicht bei mir.«
    »In Arles?« Plötzlich wusste Ivy wieder, was sie sich ausgemalt hatte, ihm alles zu erzählen. Alles, von Anfang an, bis gestern Abend. Wie er sie und ihre Arbeit über die Monate begleitet hatte. Wie sie sich vorgestellt hatte, er sitze im Atelier und sehe ihr beim Modellieren zu.
    Desmond blickte verlegen auf seine Hände. »Wenn Sie es genau wissen wollen, haben wir uns in meiner Vorstellung an den Händen gehalten und sind abends an der Rhône entlanggelaufen. Außerdem habe ich noch das Haus von einem Psychiater gefunden. Genau genommen handelte es sich viel eher um eine Ruine, mitten in der Stadt. Ich nahm an, dass dort van Goghs Nervenarzt gelebt haben musste, also bin ich durch das Tor in den zugewucherten Innenhof getreten, der ziemlich heruntergekommen war. An der Felssteinwand hingen zwei gerahmte Fotografien, die bestimmt hundertfünfzig Jahre alt sein mussten und den Arzt mit seiner Frau zeigten. Ich stieg die Treppen des Hinterhauses hinauf, auf deren Steinstufen Katzen zwischen vergilbten Topfblumen und Gummistiefeln wohnten. All das habe ich mir für Sie angesehen. Ich habe in Saint-Rémy auf der Terrasse eines in den Feldern liegenden Châteaus gesessen und umgeben von riesigen, blühenden Oleandertöpfen frische Feigen gefrühstückt. Ich wollte Ihnen von Marseille erzählen, wie mir beim Hafenrundgang ein kleiner Junge nachts aus Versehen seinen Fußball gegen den Hinterkopf geschossen hatte. Ich wollte Ihnen von der verdorbenen Fischsuppe erzählen und dem Loup de Mer, den ich allein gegessen hatte. Und doch waren Sie immer bei mir, weil ich gehofft habe, dass wir uns wiedersehen würden.« Desmond machte eine kurze Pause. »Nun ist es wohl so weit.«
    Die Anschnallzeichen erloschen über ihren Köpfen. Ivy öffnete ihren
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