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Leichensache

Leichensache

Titel: Leichensache
Autoren: Norbert Horst
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sich den Nacken.
    »Ich les nur noch die Sachen hier, dann hau ich auch ab. Ach ja, den einen Antrag muss ich schnell noch diktieren.«
    Die Digitalanzeige zeigt 23.02 Uhr.

DONNERSTAG
    0 Uhr 10
    Auf den Straßen sind fast nur noch Taxen unterwegs. Im Radio läuft On the border von Al Stewart. Das war’n super Konzert damals in Essen. Wie viele Jahre ist das eigentlich her?
     
    Sener zieht die Vorhänge zu, sieht den Scheinwerfer, blinzelt durch die Scheiben, lacht. Er schließt auf.
    »Hallo, Herr Kommissar. Bisschen spät.«
    »Sener, grüß dich.«
    »Nix los heute Abend, schon seit 8 Uhr. Liegt bestimmt am Fußball.«
    Ach ja, Fußball.
    »Außerdem bin ich heute wirklich kaputt, weiß auch nicht. Bin eben ein alter Mann. Willst du noch ein Bier?«
    »Ach, ne. Vielleicht schaff ich’s die anderen Tage mal früher. Gut Nacht.«
    Er lächelt, grüßt und schließt wieder ab.
     
    Im Eckzimmer im ersten Stock brennt Licht.
    6 Uhr 50
    Beim Rasieren ist ein Pickel unterm Kinn im Weg. Auf der weißen Keramik kämpft sich der rote Tropfen mühsam Richtung Chromring, kriegt Unterstützung von einem zweiten, dritten. Winzige Spritzer ringsherum. Der vierte geht leicht daneben, erreicht die Bahn aber etwas unterhalb. Der fünfte ist aber wieder voll im Ziel und gibt den entscheidenden Schub zum Abfluss.
    Ganz schön grau schon, da an der Seite.
    Oben brodelt der Strahl vom alten Siele in die Schüssel. Ist aber früh dran heute. Wenn der mal stirbt, merkt man’s wahrscheinlich daran, dass man ihn nicht mehr pissen hört. Säuft in letzter Zeit auch ganz schön, der Alte. Geht, glaub ich, immer in den Bären. Bei Sener hab ich den noch nie gesehen.
     
    Auf dem Flur ist niemand. In den meisten Briefkästen sind noch Zeitungen. Gut. Nehmen wir heute mal die von Lieffen, die stehen sowieso nicht vor acht auf.
    »Der Hund vertrieb den Mörder!« auf Seite eins des Lokalteils.
    Da haben se ja wieder einen von gemacht. Was die alles wissen. Die Kerstin hat doch noch gesagt, sie hätte nicht mit der Presse gesprochen.
    »Wie Kriminaloberkommissar Beckmann von der Mordkommission mitteilte …«
    Der hat doch wohl’n Knall.
    Das ist wirklich ein Wichtigtuer vor dem Herrn. Schon das zweite Mal, dass mir das mit dem passiert. Bei der MK Brosig hat der den Pressefritzen auch ’n Foto erlaubt.
    Der kriegt was zu hörn, aber sagen kann man dem ja nichts, immer diese Ihr-tut-mir-unrecht-Tour.
    Ich hasse das.
    Die Johannisbeermarmelade ist wirklich gut.
    7 Uhr 40
    Ulla schaut beim Reinkommen von der Akte hoch, raucht. Sieht gestylt aus, perfekt geföhnt, satt geschminkt. Weiße Bluse, der Brustansatz ist zu sehen. Sie lächelt.
    »Morgen. Na, ausgeschlafen?«
    Schulterzucken, gequältes Lächeln.
    »Atze ist schon um 07.00 Uhr losgefahren mit den Sachen zum LKA. Dein Antrag lag ja hier. Haste übrigens nicht unterschrieben. Ich habe drei Kreuze gemacht.«
    »Du hast meine Einwilligung zu allem.«
    »Mach keine riskanten Angebote, mein Lieber.«
    Sie kneift ein Auge zu, hebt den Zeigefinger.
     
    Erst mal ’n Kaffee. Der Chef kommt rein.
    »Morgen, Konstantin.«
    »Helmut.«
    »Die Presse lässt mir seit gestern keine Ruhe. Ich hab mir gedacht, wir machen um 10.00 Uhr die Pressekonferenz, passt das?«
    »Bis jetzt noch, oder ist was angesagt?«
    Ulla schüttelt den Kopf.
    »Die Hundertschaft von der Bereitschaftspolizei kommt um elf, aber das macht Stroter.«
    Nicken.
    »Prima, hatte sowieso schon alles bestellt. Übrigens, der Präsident nimmt auch dran teil.«
    Er lacht und geht. Auch das noch. Die neue Schreibkraft kommt rein, legt etwas ins Eingangskörbchen.
    »Die Vernehmung.«
    Sieht gut aus. Kurze, dunkle Haare, Brille, hübsches Lachen, leichter Damenbart, schöne Hände, aber lackierte Nägel.
    Sie geht sofort wieder.
     
    14.30 Uhr. Fortsetzung der um 08.00 Uhr unterbrochenen Vernehmung der Zeugin
    Gudrun Wierwich,
    weitere Pers. bekannt.
    Die Zeugin wurde erneut belehrt und macht nach einem einleitenden Gespräch folgende Angaben:
     
    Noch zur Person:
     
    Ich studiere seit zwei Jahren an der hiesigen Universität Wirtschaftswissenschaften. Vorher habe ich zwei Semester in München studiert. Kerstin habe ich vor etwa eineinhalb Jahren kennen gelernt. Wir besuchten gemeinsam ein Seminar und hatten bei einer Arbeit dasselbe Thema. Wir haben uns von Anfang an gut verstanden, und nachdem Kerstin vor etwa einem Jahr von ihrem Vermieter vor die Tür gesetzt wurde – wegen Eigenbedarfs, sagte der, aber eigentlich ist sie auf
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