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Leibniz, Newton und die Erfindung der Zeit (German Edition)

Leibniz, Newton und die Erfindung der Zeit (German Edition)

Titel: Leibniz, Newton und die Erfindung der Zeit (German Edition)
Autoren: Thomas de Padova
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Mitte gerichteten Kraft sieht Hooke die Analogie zu jener Kraft, die die Erde und die Planeten an die Sonne bindet.

    Eine Holzkugel wird an einem Faden aufgehängt. Lenkt man sie zur Seite aus, bewegt sie sich zur Mitte zurück, schwingt darüber hinaus und wird dann durch die rücktreibende Kraft wieder zum Zentrum gezogen. So viel zum einfachen Pendel. Im Unterschied dazu dreht sich beim Kreispendel die seitlich ausgelenkte und tangential angestoßene Kugel immerzu um die Mittellage herum.
    Auf frappierende Weise fließen hier die Vorstellungen des Uhrenkenners und Himmelsbeobachters ineinander. In Hookes Demonstration verschmelzen Mechanik und Astronomie zur Himmelsmechanik. Er findet eine wegweisende, wenn auch nur qualitative Erklärung für die Planetenbewegung: Die Wirkung einer einzigen, zur Mitte gerichteten Kraft genügt, um eine geradlinige Bewegung in eine kreis-oder ellipsenförmige zu verwandeln. Das experimentelle Setting fasziniert ihn so sehr, dass er es um ein zweites Pendel zu erweitern versucht, um auch den Lauf des Mondes um die Erde zu simulieren.
    Die Mathematik der Kreise hatte die Astronomie über Jahrtausende hinweg beherrscht. Ohne sie kam auch die kopernikanische Theorie zunächst nicht aus. Noch für Galilei war die Kreisbewegung eine »natürliche Bewegung«. Da sich alle Himmelskörper in Kreisen zu bewegen schienen, bedurfte sie keiner weiteren physikalischen Begründung. Der Hofphilosoph der Medici blieb diesbezüglich ganz der Tradition verhaftet, dabei hatte sein Zeitgenosse Johannes Kepler diesen allzu engen Radius des Denkens bereits gesprengt. Als einer der herausragenden Mathematiker seiner Zeit hatte er die besten verfügbaren astronomischen Beobachtungsdaten über Jahre hinweg gewissenhaft ausgewertet und den Planeten erstmals keine Kreise oder Kugelschalen mehr zugewiesen, sondern Ellipsen.
    Galilei glaubte weder an ellipsenförmige Himmelsbahnen noch an Keplers These, dass der Mond Ebbe und Flut auf der Erde beeinflusse. Er bezeichnete die Ansichten seines deutschen Kollegen als »Kindereien«. 59 Zumal Kepler anstelle einer überzeugenden physikalischen Erklärung für die elliptische Form der Umlaufbahnen nur vieldeutige Spekulationen über eine lebendige Anziehungskraft der Sonne und der Planeten vorgebracht hatte.
    35 Jahre nach Keplers Tod nimmt Hooke den Faden wieder auf. Auch er hat Abstand von einer »natürlichen« Kreisbewegung genommen. An die knifflige Frage, was das Planetenkarussell am Laufen hält, geht Hooke jedoch als Mechaniker heran. Welche Kraft ist nötig, um ein Schwungrad im Kreis zu drehen? Hooke weiß, dass man das Rad mit einem Gewicht antreiben kann, welches geradlinig nach unten sinkt. Folglich kann auch die Kraft, die eine Rotation bewirkt, auf eine geradlinig wirkende Kraft zurückgeführt werden. 60
    Das Besondere an den Himmelsbewegungen ist, dass sie seit Menschengedenken in ein und derselben Weise fortlaufen. Einige barocke Automaten kommen diesem Ideal schon recht nahe. Bei einer Pendeluhr zum Beispiel lässt sich die Energieeinspeisung von außen auf ein Minimum reduzieren. Was liegt also näher, als die Himmelsuhr mit einer Pendeluhr zu vergleichen!
    Das kreisende Pendel bietet eine Möglichkeit, zu veranschaulichen, wie aus einer geradlinigen Bewegung durch ständige Einwirkung einer anziehenden Zentralkraft eine Kreisbewegung wird. Dabei ist sich Hooke der Grenzen seiner Analogie bewusst. Beim konischen Pendel gibt es eine zur Mitte gerichtete Kraft, die aus der Fadenkraft und der Gewichtskraft der Kugel resultiert. Die Spannung des Fadens nimmt jedoch zu, je weiter sich die rotierende Holzkugel vom Zentrum entfernt. Insofern ist die nach innen gerichtete Kraft beim Pendel nicht ohne Weiteres mit der Anziehungskraft der Sonne vergleichbar, die mit zunehmendem Abstand schwächer wird. 61 Im historischen Rückblick werden jedoch die Vorzüge des Modells deutlich.
Planeten in der Zentrifuge
    Die neuzeitliche Wissenschaft begann mit der kopernikanischen Wende und einer Relativierung des eigenen Standorts: Von der Erde aus betrachtet ziehen die Sterne in immer gleicher Ordnung am Nachthimmel entlang, während die Bahnen der Planeten ziemlich verworren erscheinen. Zum Beispiel läuft ein Planet wie Mars in schwer verständlichen Schleifen mal vorwärts, dann kurzzeitig rückwärts am Nachthimmel entlang. Warum?
    Nikolaus Kopernikus und nach ihm Johannes Kepler und Galileo Galilei abstrahierten mithilfe der Mathematik vom eigenen Standort.
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