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Leibniz, Newton und die Erfindung der Zeit (German Edition)

Leibniz, Newton und die Erfindung der Zeit (German Edition)

Titel: Leibniz, Newton und die Erfindung der Zeit (German Edition)
Autoren: Thomas de Padova
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imstande sein könnte. Im November 1679 konfrontiert er Newton mit seiner Gravitationshypothese.
    Zunächst bittet er den Mathematikprofessor aus Cambridge, von früheren Meinungsverschiedenheiten abzusehen. Sie seien kein Grund für feindseliges Verhalten unter Naturforschern. »Ich für meinen Teil würde es als großen Gunstbeweis erachten, wenn Sie so freundlich wären, mir Ihre Einwände gegen meine Hypothesen oder Ansichten per Brief mitzuteilen. Und ganz speziell, wenn Sie mich wissen lassen würden, was Sie über die Zusammensetzung der Himmelsbewegungen der Planeten aus einer geradlinigen Bewegung entlang der Tangente und einer Attraktion in Richtung Zentralkörper denken.« 64
    Newton antwortet überraschend schnell. Im Frühjahr 1679 ist seine Mutter Hannah nach heftigen Fieberattacken gestorben. Seither hat der 36-jährige Mathematiker die Erbschaftsangelegenheiten in Woolsthorpe geregelt. Nach einem halben Jahr in Lincolnshire sei er erst seit einem Tag wieder am Trinity College, schreibt er Hooke. Mit den Fragen, die die Londoner Gelehrten bewegten, sei er gegenwärtig nicht vertraut. Er könne sich auch nicht daran erinnern, je von Hookes Hypothese gehört zu haben. 65 Newton stellt lediglich ein paar mathematische Betrachtungen darüber vor, wie sich ein Körper unter dem Einfluss der Schwere auf den Erdmittelpunkt zubewegen sollte.
    Mit diesen Berechnungen ist Hooke nicht einverstanden. Er lässt nicht locker und kommt mehrfach zu seiner Ausgangsfrage zurück, die er nun noch konkreter fasst. Demnach soll die Anziehungskraft mit dem Quadrat der Entfernung abnehmen, also bei dreifachem Abstand vom Zentralkörper neunmal schwächer werden.
    In einem Brief vom 17.Januar 1680 schreibt Hooke, es bliebe nun einzig und allein, die Eigenschaften der Kurve herauszufinden, die durch eine anziehende Zentralkraft hervorgebracht werde, welche mit dem Quadrat der Abstände vom Zentralkörper abnehme. Newtons Überlegenheit in mathematischen Fragen, die sich als Schlüssel zum Gravitationsgesetz und zu universellen Bewegungsgleichungen herausstellen wird, erkennt er unumwunden an: »Ich habe keine Zweifel daran, dass Sie mit Ihrer exzellenten Methode herausfinden werden, welche Kurve das sein muss.« 66
    Nachdem Hooke die Himmelsphysik auf diese Kernfrage reduziert hat, wendet sich Newton ihrer Lösung zu. 67 Sein Calculus ist auf die Problemstellung regelrecht zugeschnitten. Laut Trägheitsgesetz ist jeder Körper bestrebt, sich mit gleichbleibender Geschwindigkeit geradlinig weiterzubewegen. In jedem gegebenen Augenblick entspricht daher die Bewegungsrichtung eines Planeten der an seine Flugkurve gelegten Tangente. Und Tangentenberechnungen stehen, wie wir gesehen haben, im Zentrum der neuen Rechenmethode.
    In einem ersten Schritt versucht Newton, bei vorgegebener Ellipsenbahn die Kraft zu ermitteln, die die Sonne auf den Planeten ausübt und die ihn unentwegt von seiner Flugrichtung wegzieht. 68 Dazu ersetzt er die elliptische Bahnkurve durch ein Polygon, also durch eine Abfolge gerader Abschnitte. So verwandelt sich die Ellipse in ein Vieleck. Jeden Eckpunkt dieses Vielecks verbindet Newton mit der Sonne, die im Brennpunkt der Ellipse liegt. Auf diese Weise zerteilt er die Ellipsenfläche in ein Puzzle aus Dreiecken.
    Newton folgt hier der Vorgehensweise des deutschen Astronomen Johannes Kepler, der die Flächen solcher Dreiecke zu Beginn des Jahrhunderts auf erstaunliche Weise berechnete. Eines der keplerschen Planetengesetze besagt, dass der von der Sonne zum Planeten gezogene Strahl in gleichen Zeiten jeweils gleiche Flächen überstreicht. Die entsprechenden Dreiecksflächen sind also gleich groß.
    Newton lässt die Zahl der Dreiecksflächen gedanklich bis ins Unendliche anwachsen und konzentriert sich auf die Frage, wie stark die Flugbahn des Planeten in einem unendlich kurzen Zeitabschnitt von der geradlinigen Trägheitsbahn abweicht. In dieser winzigen Zeitspanne fliegt der Planet nicht nur geradeaus. Der Himmelskörper fällt auch auf die Sonne zu, und zwar, so Newton, entsprechend jenem Fallgesetz, das Galilei aufstellte.
    Die kühne Verbindung von Keplers Flächensatz und Galileis Fallgesetz, von neuzeitlicher Astronomie und Mechanik führt Newton nach einigen weiteren Rechenschritten zu seinem berühmten Gravitationsgesetz: Die Anziehungskraft verringert sich mit dem Quadrat der Entfernung des Planeten von der Sonne. Es ist dasselbe Gesetz, mit dem Robert Hooke ihn zuvor konfrontiert hatte.
    Auch
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