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Leibniz, Newton und die Erfindung der Zeit (German Edition)

Leibniz, Newton und die Erfindung der Zeit (German Edition)

Titel: Leibniz, Newton und die Erfindung der Zeit (German Edition)
Autoren: Thomas de Padova
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sorgfältig, solange das Schiff stille steht, wie die fliegenden Tierchen mit der nämlichen Geschwindigkeit nach allen Seiten des Zimmers fliegen. Man wird sehen, wie die Fische ohne irgendwelchen Unterschied nach allen Richtungen schwimmen; die fallenden Tropfen werden alle in das untergestellte Gefäß fließen …«
    Was aber, wenn das Schiff seine Fahrt aufgenommen hat? Für die Beobachter unter Deck ändere sich dadurch nichts, so Galilei. »Ihr werdet – wenn nur die Bewegung gleichförmig ist und nicht hier-und dorthin schwankend – bei allen genannten Erscheinungen nicht die geringste Veränderung eintreten sehen. Aus keiner derselben werdet ihr entnehmen können, ob das Schiff fährt oder stille steht.« 55
    Galilei hatte erkannt, dass wir Geschwindigkeiten keine objektive Bedeutung beimessen können. Ein Beobachter, der sich im Bauch des Schiffs mit gleichbleibender Geschwindigkeit bewegt, merkt nichts davon. Nur wenn das Schiff plötzlich abbremst, Fahrt aufnimmt oder seine Richtung ändert, nimmt man dies wahr, denn Körper sind träge. Sie widersetzen sich solchen Bewegungsänderungen.
    Ein Körper, der einmal in Bewegung gesetzt wurde, bewegt sich so lange geradlinig und gleichförmig weiter, bis er eine neue Kraftwirkung erfährt. Dieses Trägheitsgesetz haben erst Galileis Nachfolger formuliert. Es geht weit über unsere alltäglichen Erfahrungen hinaus, denn nichts bewegt sich auf ewig geradlinig fort. Zieht ein Schiff seine Segel ein, fährt es zwar noch eine Weile in derselben Richtung weiter, kommt aber irgendwann zum Stillstand oder wird von der Strömung weggetragen. Jeder Wagen bleibt stehen, wenn das Pferd ermüdet. Daher entspricht die klassische, aristotelische Physik viel eher dem, was wir mit unseren Sinnen wahrnehmen. Ihr zufolge bedarf es zur Aufrechterhaltung jeder Bewegung einer ständig fortwirkenden Kraft.
    Die experimentelle und mathematische Analyse eröffnet eine neue Sichtweise. Naturforscher schließen sich in Gedanken auf dem Schiff oder in einer Raumkapsel ein, schirmen die sich bewegenden Körper in ihren Laboratorien möglichst gut von äußeren Einflüssen ab und machen Reibungskräfte, die Luft, Wasser oder eine Unterlage der Bewegung entgegensetzen, ebenfalls zum Gegenstand von Versuchen. Wie würde sich der Körper verhalten, wenn es keinerlei Luftwiderstand, keine Reibung und keine Schwere gäbe? Dem Trägheitsgesetz zufolge würde er seine einmal erlangte Geschwindigkeit und Richtung beibehalten.
Ein kreisendes Pendel als Weltmodell
    Das Trägheitsgesetz zählt zu jenen drei Annahmen, auf denen Hooke sein »Weltsystem« aufbaut. Bereits im Mai 1666 erläutert er den Mitgliedern der Royal Society, er habe oft darüber nachgedacht, warum die Planeten um die Sonne kreisen, obschon sie weder in feste Kristallsphären eingebunden wären, wie die Alten dachten, noch über irgendwelche Fäden mit ihr verbunden. Jeder feste Körper, der einen einzigen Impuls bekomme, behalte die einmal eingeschlagene Richtung bei. Himmelskörper seien feste Körper. Aber sie flögen nicht geradeaus. Warum bewegten sich Erde, Mars und Jupiter auf geordneten Bahnen um ein gemeinsames Zentrum? 56
    Hooke sieht letztlich nur eine Möglichkeit, die an sich geradlinige Bewegung der Himmelskörper »zu einer Kurve umzubiegen«. Die Ursache dafür müsse in den attraktiven Eigenschaften jenes Körpers liegen, der sich im Zentrum befindet. 57 Und nachdem er seine Gravitationshypothese vorgebracht hat, möchte er sie, ganz der experimentellen Wissenschaft verpflichtet, veranschaulichen: durch einen Pendelversuch.
    Zu diesem Zweck hängt er eine hölzerne Kugel an einem Faden so an der Decke auf, dass keine Schwingungsrichtung bevorzugt wird. Anders als bei Galileis Pendelexperimenten soll die Kugel nämlich nicht einfach hin-und herpendeln, sondern kreisen. Wie das Planetenkarussell.
    Das konische Pendel verhält sich anders als das galileische. Zwar ist auch beim konischen Pendel eine Kraft wirksam, die die Holzkugel in ihre Ruhelage zurücktreibt. Aber sie dreht sich immerfort um diese Ruhelage herum. Je nach Auslenkung der Kugel beobachtet man sowohl kreisförmige als auch ellipsenähnliche Bahnen.
    In Kenntnis des Trägheitsgesetzes zerlegt Hooke den Umlauf der Kugel in zwei voneinander unabhängige Bewegungskomponenten: »Ihre Kreisbewegung setzt sich zusammen aus dem Bestreben einer geradlinigen Bewegung entlang der Tangente und einem anderen, zur Mitte gerichteten Bestreben.« 58 In dieser zur
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