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Lehtolainen, Leena

Titel: Lehtolainen, Leena
Autoren: Weiss wie die Unschuld
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erinnerte ich mich an das, was Pertsa gestern Abend gesagt hatte. Auch darin musste ich Hanninen Recht geben, dass ich die Neigung besaß, mich in mein Schneckenhaus zurückzuziehen, obwohl das Leben und die Gefühle anderer Menschen mich interessierten. Und doch – hatte Hanninen nicht alles, was er über mich sagte, auch bei unseren Gesprächen herausfinden können?
    »Mit Ihnen zu leben ist nicht leicht. Sie können nicht nach den Vorgaben anderer oder im Gleichklang mit ihnen leben, Sie wollen Ihren eigenen Weg gehen.«
    »Zur Mutter bin ich also nicht geeignet?«, fragte ich scheinbar scherzhaft.
    »So krass würde ich es nicht ausdrücken. Vielleicht ist es eher so, dass es Ihnen nicht leicht fallen wird, Mutter zu sein, sich zu binden.«
    »Glauben Sie, dass eine schlechte Mutter einen Menschen für das ganze Leben verderben kann?«
    »Was meinen Sie?« Hanninen klang plötzlich reserviert.
    »Alles Mögliche … nehmen wir zum Beispiel Niina Kuusinen.«
    »Was ist mit Niina? Sie hatte doch keine schlechte Mutter, eher eine übermäßig fürsorgliche. Niina hat es nicht geschafft, sich abzunabeln.«
    »Ich spreche nicht von Heidi Kuusinen, sondern von Niinas biologischer Mutter, von Elina Rosberg. Sie wussten doch Bescheid, oder? Haben Sie schon damals in den siebziger Jahren davon erfahren, oder hat Niina es Ihnen erzählt?«
    Hanninen gab keine Antwort, er knöpfte sein Hemd zu.
    »Wir haben Niina gestern verhaftet. Sie hat uns erzählt, was am zweiten Weihnachtstag in Rosberga geschehen ist. Ich gratuliere zur erfolgreichen Manipulation. Es ist Ihnen hervorragend gelungen, ihre Mutterneurose zu verstärken, Sie angeblicher Therapeut. Was wollten Sie damit erreichen?«
    Hanninen sah mir offen in die Augen, er hatte seine Sicherheit wiedergewonnen.
    »So etwas behauptet Niina also. Das ist typisch für sie, sie schiebt die Verantwortung immer ab, sei es auf ihre Eltern oder auf die Sterne. Wahrscheinlich macht sie jetzt mich zum Sündenbock. Das ist in einer Therapiebeziehung ganz normal, sie projiziert den Hass, den sie für Elina empfindet, auf mich.«
    »Trotzdem tragen Sie die moralische Verantwortung für das, was Niina getan hat. Sie haben ihren Hass geschürt, um sich an Elina zu rächen. Für die Sensationspresse wäre es allein schon ein Knüller gewesen, wenn sie als illegitime Tochter einer bekannten feministischen Therapeutin an die Öffentlichkeit getreten wäre.«
    »Moralische Verantwortung … Ach, wissen Sie, das ist ein verdammt komplizierter Begriff.« Es war Hanninen anzusehen, dass er jetzt Oberwasser hatte, er hatte wieder sein gewinnendes Lächeln aufgesetzt. »Natürlich ist es tragisch, dass Niina diese schreckliche Tat begangen hat. Auch für Sie war der Beginn dieses Jahres eine schwere Zeit. Vielleicht sollten Sie etwas intensiver über moralische Verantwortung nachdenken, bevor Sie mich beschuldigen.« Hanninen stand auf, holte sich eine Zigarette und ein Feuerzeug, öffnete das Fenster und setzte sich zum Rauchen auf die Fensterbank. Obwohl er sich rücksichts-voll bemühte, den Rauch nach draußen zu blasen, stieg mir der Gestank in die Nase. Meine Haare würden für den Rest des Tages nach Qualm riechen, dazu genügte neuerdings schon eine einzige Zigarette.
    »Aber bei Elinas Tod geht es ja nicht allein um die moralische Verantwortung. Nachdem ich Niinas Bericht gehört hatte, habe ich mich gefragt, wie Elina an die Loipe gekommen ist, wo sie gefunden wurde, denn nach Niinas Aussage war sie in eine ganz andere Richtung gelaufen. Und woher kamen die Kratzer an Elinas Rücken? Niina hat Sie angerufen, nachdem sie ins Haus zurückgekehrt war. Ich habe heute früh die Liste ihrer Telefonate bekommen«, setzte ich hinzu, als Hanninen Anstalten machte zu leugnen. »Sie sind nach Rosberga gefahren. Vielleicht haben Sie Elina am Wegrand gefunden, unterkühlt und bewusstlos, und plötzlich ist Ihnen klar geworden, dass die süßeste Rache, die Sie an ihr nehmen können, darin besteht, sie zu töten. Sie haben Elina in den Wald geschleift, haben sie sterben lassen und wollten obendrein Niina die Schuld tragen lassen.«
    Hanninen warf seinen Zigarettenstummel zum Fenster hinaus, bevor er mir antwortete, diesmal in mitfühlendem, empathi-schem Ton.
    »Sie scheinen wirklich urlaubsreif zu sein. Ich habe mit Elinas Tod nichts zu tun.«
    »Warum wurde Ihr Wagen dann in der fraglichen Nacht gegen halb zwei auf der Nuuksiontie gesehen? So viele alte rote Chevys gibt es nicht. Und der Junge,
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