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Lehtolainen, Leena

Titel: Lehtolainen, Leena
Autoren: Weiss wie die Unschuld
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bleiben. Pertsa und Taskinen schwiegen, sie wussten, wen wir abholen wollten, überließen das Reden aber mir.
    »Viele Grüße von Aira«, sagte ich schließlich und vermied es, irgendjemanden anzuschauen. »Ich habe heute lange mit ihr gesprochen, und sie hat mir bestätigt, was ich bereits wusste.
    Nämlich, wer Elina Rosberg getötet hat.«
    »Getötet? Dann war es also kein Unfall«, sagte Joona Kirstilä mit heiserer Stimme.
    »In gewisser Weise war es wohl ein Unfall. Ich glaube nicht, dass Elinas Tod beabsichtigt war, zumindest am Anfang nicht.
    Die Mischung von Whisky und Dormicum sollte sie nur einschläfern. Die Täterin wusste nichts von Elinas Antibiotikum und hatte keine Ahnung, dass Erythromycin die Wirkung des Schlafmittels verstärkt und gleichzeitig seinen Abbau verlang-samt. Dass Elina erfror, war nicht beabsichtigt, oder?«
    Jetzt wagte ich es, sie alle anzusehen, den wachsbleichen Joona, Niina, die an ihren Haaren zupfte, Milla, die meinen Blick frech erwiderte, Johanna, die ihren Tee völlig vergessen hatte. Tarja Kivimäki sprach als Erste.
    »Dein Plan scheint nicht ganz aufzugehen. Niemand ist aufge-sprungen und hat Nein gebrüllt.«
    »Dann muss ich direkt fragen. Wie ist Elina in den Wald geraten, Niina?«
    Als sie ihren Namen hörte, zuckte Niina zusammen, als hätte ich sie geschlagen. Milla, die neben ihr saß, sog scharf die Luft ein und starrte sie an.
    »Warum hast du das getan!« Millas Stimme war rau, sie schien sich auf Niina stürzen zu wollen, hielt dann aber inne.
    »Ich wollte sie nicht umbringen! Sie sollte nur leiden. Sie sollte frieren, wie sie mich hat frieren lassen.«
    »Wovon redest du eigentlich?«, fragte Tarja Kivimäki ungläubig. Mir war es recht, dass die anderen das Gespräch an sich rissen. Mit ihnen, ihren Freundinnen, würde Niina eher reden als mit mir.
    »Elina war meine Mutter«, sagte Niina unwirsch. »Eine Mutter, die mich gleich nach der Geburt verstoßen hat und mich nicht kennen wollte, als ich hier aufkreuzte, obwohl sie garantiert gewusst hat, wer ich bin!«
    »Deine Mutter? Du bist doch mindestens fünfundzwanzig.
    Dann wäre Elina ja noch ein Kind gewesen, als du geboren wurdest«, wunderte sich Milla.
    »Elina war sechzehn.« Ich berichtete, was ich über Niinas Geburt wusste.
    Niinas Vater, Martti Kuusinen, hatte Ende der sechziger Jahre bei Sahapuu, der Firma von Elinas Vater, gearbeitet. Er war damals erst fünfundzwanzig, aber bereits mit seiner Schulfreun-din Heidi verheiratet. Elinas Vater Kurt Rosberg, der wohl enttäuscht war, weil er keinen Sohn hatte, dem er sein Unternehmen vererben konnte, hatte Martti Kuusinen bald zum Favoriten erkoren. Martti war häufig in Rosberga zu Besuch gewesen, und die fünfzehnjährige Elina hatte sich rettungslos in ihn verliebt. Sie war ein frühreifes Mädchen, groß und schön.
    Aira, die damals gerade nach Rosberga zurückgekehrt war, um ihre kranke Schwägerin zu pflegen, war als Erste auf die Beziehung zwischen Martti und Elina aufmerksam geworden.
    Sie hatte ihrem Bruder davon erzählt, doch es war zu spät. Elina erwartete bereits ein Kind von Martti Kuusinen.
    Zuerst hatte Elina offenbar gar nicht begriffen, dass sie schwanger war, und als Aira davon erfuhr, war es für eine Abtreibung zu spät. Zu allem Unglück war Marttis Frau ebenfalls schwanger. Kurt Rosberg war außer sich vor Wut und feuerte Martti.
    Ich sah Airas erschöpftes Gesicht vor mir, mit brüchiger Stimme hatte sie mir von Niinas Geburt erzählt und von dem schrecklichen Frühjahr davor. Elinas Mutter war schwer krank gewesen, Elina deprimiert und völlig durcheinander. Aira hatte nie erfahren, welche Hoffnungen Elina damals hatte, ob sie womöglich geglaubt hatte, Kuusinen würde sie heiraten. Mit ihrem Vater sprach sie nicht mehr, seit er Kuusinen hinausge-worfen hatte. Aira war die Einzige, auf die Elina hörte, und Aira hatte einen Plan. Nach den Sommerferien sollte Elina nicht mehr zur Schule gehen, sondern im Oktober irgendwo im Ausland ihr Kind zur Welt bringen. Anschließend sollte es zur Adoption freigegeben werden.
    Dann hatte Martti Kuusinen eine Stelle in Südfrankreich bekommen. Heidi, seine Frau, wollte nicht in ein Land ziehen, dessen Sprache sie nicht verstand, doch Kuusinen hatte sie überredet, ihn zu begleiten. Es war wohl eine Ironie des Schicksals, dass seine beiden Kinder innerhalb von zwei Wochen geboren werden sollten.
    Was dann geschehen war, wusste Aira nur vom Hörensagen.
    Eines Abends war Martti Kuusinen
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