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Legend 02 - Schwelender Sturm (German Edition)

Legend 02 - Schwelender Sturm (German Edition)

Titel: Legend 02 - Schwelender Sturm (German Edition)
Autoren: Marie Lu
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es je sein könnte.«
    Anden nimmt meine Hände in seine. »Sie sind dazu geboren, die Republik zu verändern, June. Niemand könnte besser sein als Sie.«

DAY
    Die Ärzte mochten mich von Anfang an nicht. Na ja, das Gefühl beruhte auf Gegenseitigkeit – schließlich habe ich mit Krankenhäusern nicht gerade die allerbesten Erfahrungen gemacht.
    Vor zwei Tagen, nachdem sie es endlich geschafft hatten, mich vom Balkon des Capitol Tower zu holen und die Massen von Menschen zu beruhigen, die mir zujubelten, schnallten sie mich auf eine Bahre und brachten mich auf direktem Weg ins Krankenhaus. Dort zerschlug ich die Brille eines Arztes und stieß ein paar Metalltabletts in meinem Zimmer um, als sie mich auf Verletzungen untersuchen wollten. »Wenn Sie mich anfassen«, fauchte ich sie an, »breche ich jedem Einzelnen von Ihnen das Genick, verdammt noch mal.« Am Ende mussten sie mich fesseln. Ich schrie das halbe Krankenhaus zusammen, schrie, bis ich heiser war, verlangte, Eden sehen zu dürfen, drohte damit, das Krankenhaus niederzubrennen, wenn sie mich nicht zu ihm ließen. Ich schrie nach June. Ich forderte brüllend Beweise dafür, dass die Patrioten freigelassen worden waren. Ich forderte, Kaedes Leiche sehen zu dürfen, und flehte das Krankenhauspersonal an, dafür zu sorgen, dass sie eine ordentliche Bestattung bekam.
    Mein Geschrei wurde live an die Öffentlichkeit gesendet, denn vor dem Krankenhaus hatten sich Massen von Menschen versammelt, die sich davon überzeugen wollten, dass ich auch gut behandelt wurde. Mit der Zeit beruhigte ich mich, und nachdem die Menschen auf den Straßen von Denver sich vergewissert hatten, dass ich am Leben war, kehrte auch unter ihnen Ruhe ein.
    »Das heißt nicht, dass wir Sie nicht genau im Auge behalten«, informiert mein Arzt mich, als er mir einen Stapel Republikhemden und Armeehosen überreicht. Er hat die Stimme gesenkt, damit die Überwachungskameras seine Worte nicht aufnehmen. Ich kann seine Augen hinter den spiegelnden, runden Brillengläsern kaum erkennen. »Aber der Elektor hat Sie mit sofortiger Wirkung begnadigt und Ihr Bruder Eden sollte jeden Moment eintreffen.«
    Ich schweige. Nach allem, was passiert ist, seit Eden sich mit der Seuche infiziert hat, kann ich kaum fassen, dass die Republik ihn mir tatsächlich zurückgibt. Ich schaffe es lediglich, den Arzt mit zusammengebissenen Zähnen anzulächeln. Er erwidert mein Lächeln, doch in seinem Blick liegt Ablehnung, als er weiter meine Untersuchungsergebnisse durchgeht und sich dann der Frage zuwendet, wo ich wohnen werde, wenn das alles hier vorbei ist. Ich weiß, dass er überall anders lieber wäre als hier, aber er sagt es nicht, nicht vor all den laufenden Kameras. Aus dem Augenwinkel sehe ich den Bildschirm an der Wand, der mir zeigt, was sie mit June machen. Es scheint ihr gut zu gehen und sie muss dieselben Untersuchungen über sich ergehen lassen wie ich. Doch die Angst schnürt mir weiterhin die Kehle zu.
    »Es gibt noch eine letzte Sache, die ich gern unter vier Augen mit Ihnen besprechen möchte«, fährt der Arzt fort. Ich höre nur mit halbem Ohr hin. »Etwas ziemlich Wichtiges, das wir auf Ihren Röntgenbildern entdeckt haben. Etwas, das Sie wissen sollten.«
    Ich beuge mich vor, um ihn besser verstehen zu können. In diesem Moment aber plärrt eine Stimme aus der Sprechanlange des Zimmers. »Eden Bataar Wing ist hier, Doktor. Bitte informieren Sie Day.«
    Eden. Eden ist hier.
    Plötzlich könnten mir meine verdammten Röntgenergebnisse gar nicht gleichgültiger sein. Eden ist da draußen, direkt vor meinem Zimmer! Der Arzt versucht, noch etwas zu sagen, aber ich dränge mich an ihm vorbei, reiße die Tür auf und stürze auf den Flur hinaus.
    Zuerst sehe ich ihn gar nicht vor lauter Krankenschwestern, die die Gänge bevölkern. Dann aber erspähe ich eine kleine Gestalt, die mit baumelnden Beinen auf einer der Bänke sitzt, mit gesunder Gesichtsfarbe und einem hellblonden, wuscheligen Lockenkopf. Er trägt eine viel zu große Schuluniform und Kinderstiefel. Er wirkt größer als früher, aber vielleicht liegt das auch nur daran, dass er wieder aufrecht sitzen kann. Als er sich zu mir umdreht, sehe ich, dass er eine dicke Brille mit schwarzem Rand trägt. Seine Augen wirken milchig violett und ich muss an den kleinen Jungen denken, den ich in jener kalten, verschneiten Nacht in dem Bahnwaggon gefunden habe.
    »Eden«, rufe ich heiser.
    Seine Augen bleiben starr, doch auf seinem Gesicht breitet
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