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Lee, Julianne

Lee, Julianne

Titel: Lee, Julianne
Autoren: Das Schwert der Zeit 04 - Die Erfüllung
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das bedeutete. Er war noch nicht bereit, die Wahrheit zu akzeptieren. Zögernd trat er einen Schritt auf Eóin zu, wandte sich dann in Richtung der Tür zum Westturm und drehte sich wieder zu Eóin um.
    »Och«, sagte er leise zu sich, dann laut zu Eóin: »Hol Calum, schnell. Gibt es etwas Neues von Robbie?« Eóin schüttelte den Kopf. »Och«, wiederholte Ciaran und trat noch einen Schritt zurück.
    Nachdem er den sgian dubh in die Scheide zurückgeschoben hatte, musterte er Aodán noch ein Mal finster, ehe er quer durch den Stall eilte. Unterhalb der hölzernen Treppe, die zur Sattelkammer führte, lag ein kurzer, aus Stein gemauerter Gang, der an der Wendeltreppe des Westturms endete. Ciaran hetzte die fünf Treppenfluchten hoch, so schnell er konnte. Sìle rief ihre beiden kleinen Töchter und folgte ihm etwas langsamer.
    Das Privatgemach des Lairds lag auf der obersten Etage des Turmes. Robin Innis, sein engster Freund und fear-còmnaidh, stand vor der Tür. Seit Tagen hielt er dort ununterbrochen Wache, und des Nachts schlief er, in sein Plaid gewickelt, auf einem Strohsack in der Nische vor der Kammer. Calum war bei ihm. Aus Respekt gegenüber dem sterbenden Laird unterhielten sich die beiden Männer nur im Flüsterton. Robins wässrige Augen lagen tief in dem wettergegerbten Gesicht Der Ausdruck darin jagte Ciaran einen kalten Schauer über den Rücken. »Wo sind Kirstie und Mary?«, fragte er.
    Robin deutete auf die Tür, was hieß, dass Ciarans Halbschwestern bereits bei ihrem Vater waren. Auf der Treppe ertönten Schritte. Ciaran drehte sich um, weil er sehen wollte, wer dort kam. Die drei MacKenzies gingen langsam auf die Tür zu. Sie wollten offenbar vermeiden, jemandem im Weg zu sein, sich aber für den Fall, dass sie gebraucht wurden, in der Nähe aufhalten, daran wandte sich wieder an Robin. »Hast du noch nichts von Robbie gehört?« Robin zuckte die Schultern, doch Calum antwortete: »Er kommt, so schnell er kann. Bestimmt ist er noch vor dem Boten hier.«
    Ciaran hatte Calum nie sonderlich nahe gestanden - er verstand sich mit Robbie wesentlich besser doch jetzt empfand er Mitleid mit ihm. Er wusste, dass Calum seinen jüngsten Bruder, das Nesthäkchen der Familie, stets in Schutz nahm. Aber trotz der gut ausgebauten Straße, die allein dazu gedacht war, den Rotröcken Seiner Majestät das Reisen zu erleichtern - und die selbstverständlich kurz vor dem Tal endete konnte Robbie unmöglich vor morgen hier sein.
    Als er die Kammer seines Vaters betrat, betete Ciaran insgeheim, dass sie nicht zu spät nach dem jüngsten Bruder geschickt hatten.
    Im Kamin prasselte ein helles Feuer, und die warme Morgensonne fiel durch die Dutzende kleiner Fensterscheiben, dennoch türmten sich mehrere dicke Decken auf dem Bett des Lairds. Kirstie und Mary kauerten auf einer Truhe unter den nach Süden gehenden Fenstern, hielten sich bei der Hand und blickten ängstlich zu ihrem Vater hinüber.
    Mutter Sarah saß in einem hochlehnigen Stuhl neben dem Kopfende des Bettes und streichelte die Hand ihres Mannes. Eine Locke lugte unter ihrem Kopftuch hervor, ansonsten war sie makellos gekleidet und wirkte erstaunlich ruhig und gefasst. Nur die dunklen Ringe unter ihren Augen verrieten, was sie in den letzten Tagen durchgemacht hatte.
    Ciaran trat zum Bett, beugte sich darüber und ergriff die andere Hand seines Vaters. Sie war mit den schmutzigroten Flecken übersät, die in der letzten Zeit scheinbar ohne jeden Grund auftraten. Irgendjemand schob ihm einen Stuhl hin. Er setzte sich, sah in das fahle Gesicht seines Vaters und fürchtete plötzlich, er könne zu spät gekommen sein.
    Dylan Robert Matheson von Ciorram war kaum noch am Leben. Seine Brust hob und senkte sich so langsam, dass es fast nicht zu sehen war. Die sonnengebräunte Haut unter dem silbernen Haar und Bart hatte eine gräuliche Farbe angenommen, das Gesicht war so eingefallen, dass die Knochen scharf hervortraten. Seit der letzten Nacht war ein neuer Bluterguss an seiner Schläfe aufgetaucht. Völler Wehmut dachte Ciaran an den kraftstrotzenden, kerngesunden Vater seiner Kindheit, wusste aber, dass auch der schwache, zerbrechliche alte Mann nicht mehr lange bei ihm sein würde.
    Kirstie und Mary kamen herbei, um sich an das Fußende des Bettes zu setzen. Kirstie legte eine Hand auf das Bärenfell, das die Füße ihres Vaters bedeckte. Sìle setzte ihre beiden vier und fünf Jahre alten blonden Töchter auf den Boden und legte einen Finger an die Lippen,
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