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Lee, Julianne

Lee, Julianne

Titel: Lee, Julianne
Autoren: Das Schwert der Zeit 04 - Die Erfüllung
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war.
    So fremdartig Pas Formulierungen auf Gälisch auch klangen, so zutreffend waren seine Vorhersagen hinsichtlich politischer Ereignisse. Wenn er sagte, dass Prinz Teàrlach kommen würde, dann konnte man getrost seinen letzten Farthing darauf verwetten. Cia-
    ran hegte nicht den geringsten Zweifel daran, dass er auch diesmal Recht hätte. Sofort erschien ihm der Tag viel wärmer und sonniger als zuvor, und auch Pas zweifelnde Miene konnte seine Hochstimmung nicht beeinträchtigen.
    Ciarans Vater stöhnte unterdrückt auf und kniff die Augen zusammen, als er mehr Gewicht auf sein linkes Bein verlagerte. Leise brummte er auf Englisch: »Benimm dich nicht wie ein Waschlappen, Matheson.« Da ihm zahlreiche Zähne fehlten, war er schlecht zu verstehen. Zwar konnte sich Dylan Dubh glücklich schätzen, da ihm im hohen Alter von zweiundsechzig Jahren noch mehr Zähne geblieben waren als den meisten anderen Männern, doch gut die Hälfte seines Gebisses hatte er eingebüßt und lispelte daher stark. Dazu kam seine Angewohnheit, ständig an dem einzigen auf der linken Seite verbliebenen Eckzahn zu saugen, der in dem ansonsten zahnlosen Kiefer besonders lang und spitz zulaufend wirkte.
    Ciaran konzentrierte sich wieder auf sein Trainingsprogramm. Heute praktizierten sie Tai Chi, wie schon seit Monaten, da diese Übungen dem alternden Körper des Lairds nicht zu viel Kraft abverlangten. Seit Ciaran denken konnte, war sein Vater jeden Tag im Morgengrauen aufgestanden, um sein Training zu absolvieren, doch im Laufe der Jahre hatte auch er einige Zugeständnisse an sein Alter machen müssen. Seit einem Jahrzehnt verzichtete er bereits auf Sprünge jeglicher Art, und in der letzten Zeit wollten ihm auch die Tritte und Drehungen nicht mehr so recht gelingen. Dennoch war er bis vor einem oder zwei Jahren noch ausgezeichnet in Form gewesen, und man hatte ihm sein Alter wahrlich nicht angesehen. Viele seiner Clansleute nannten ihn auch heute noch Dylan Dubh - Black Dylan - obgleich sein Haar jetzt silberweiß schimmerte; auch sein Geschick im Umgang mit dem Schwert wurde allenthalben noch gerühmt, obwohl er seit Jahren keine Waffe mehr zur Hand genommen hatte.
    Die beiden Männer bewegten sich mit einer Harmonie, die jahrzehntelange Erfahrung verriet. Stoß, Block, Ball halten, Stoß,
    Schritt zurück, Stoß. Die Übungen entspannten Ciaran zwar, stellten aber keine besondere Herausforderung dar, daher würde er den anstrengenderen Teil seines Programms auf den Nachmittag verschieben. Im Augenblick genoss er die Gesellschaft seines Vaters.
    In den letzten Jahren setzte die Kälte dem Laird in zunehmendem Maße zu, daher trug er unter seinem Kilt und dem Hemd ein seltsames, aus kostbarem Leinen gefertigtes Kleidungsstück, das er >lange Unterhosen< nannte. Er hatte seiner Frau gezeigt, wie sie es nähen musste, und behauptet, es sei »um einiges wärmer und bequemer als die verdammten kratzigen Dinger, die hier zu Lande üblich sind«. Aus irgendeinem unerfindlichen Grund hatte der Laird auch darauf bestanden, dass die »langen Unterhosen< leuchtend rot gefärbt wurden, allerdings war die Farbe inzwischen zu einem fahlen Rosa verblasst. Angeblich war im Schritt eine mit Knöpfen versehene Klappe eingearbeitet, wovon sich Ciaran jedoch noch nie mit eigenen Augen hatte überzeugen können.
    Pa nahm wieder die Grundstellung ein, verzichtete aber darauf, das Haar zurückzuwerfen, das ihm in die Augen hing. Er trug sein Haar kürzer als die meisten Männer hier, um zu verhindern, dass es ihm beim Training dauernd ins Gesicht fiel. Ciaran bevorzugte längeres Haar, das er nach Art der englischen Soldaten im Nacken zusammenband. Zwar verabscheute er alles Englische aus tiefster Seele, hatte aber längst eingesehen, dass ihn die ständig auf der schweißfeuchten Haut klebenden Strähnen bei seinen Übungen stark behinderten. Da ihm nur die Wahl zwischen kurzem oder zusammengebundenem Haar blieb, hatte er sich für die zweite Lösung entschieden.
    »Also werden wir uns dem Prinzen anschließen, wenn er in Schottland gelandet ist, und uns gegen den Thronräuber erheben?« Kranichhaltung, Stoß, Schritt zurück, Stoß...
    Pa runzelte die Stirn und blickte flüchtig zur Seite, wie er es immer tat, wenn er nachdachte. Dann erwiderte er entschieden: »Nein.«
    Ciaran unterdrückte ein ärgerliches Stöhnen. Warum nur war sein Vater so halsstarrig? Er gab seine Haltung auf und straffte sich. »Wo stehen wir denn dann, wenn König James
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