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Lee, Julianne

Lee, Julianne

Titel: Lee, Julianne
Autoren: Das Schwert der Zeit 04 - Die Erfüllung
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bewegen, und jeder, der sich einem Soldaten zu rasch näherte oder den Eindruck erweckte, vor ihm fliehen zu wollen, wurde festgehalten und einem strengen Verhör unterzogen Wenn der Junge auch nur halbwegs bei Verstand gewesen wäre hätte er es wohlweislich vermieden, in einem solchen Tempo an einer Dragonertruppe vorbeizugaloppieren. Sein Anliegen konnte gewiss nicht so dringend sein, dass er das Wagnis eingehen musste, sich über die Befehle Seiner Majestät hinwegzusetzen. Wenn er keine glaubhafte Erklärung für seine ungebührliche Eile abgeben konnte, würde er vermutlich im Gefängnis landen.
    Als die Kutsche vorüberfuhr, hörte Leah ihn im breiten Highlandakzent sagen: »Vielleicht komme ich sogar schon zu spät.« Tränen glitzerten in seinen Augen, aber er bemühte sich mannhaft, ihnen keinen freien Lauf zu lassen. Eine dunkelbraune Haarsträhne fiel ihm ins Gesicht. Unwillig strich er sie zurück. Er tat Leah aufrichtig Leid. Es war offensichtlich, dass er sich in einer äußerst misslichen Lage befand. Trotzdem sah er dem Soldaten fest ins Gesicht, während er sprach. Seine Augen waren tiefbraun, seine Wangen vor Erregung rosig angelaufen.
    Seine Unverfrorenheit versetzte sie in Erstaunen. Immerhin trug er die Tracht eines barbarischen Highlanders und sah vermutlich einer Verhaftung entgegen; trotzdem trat er mit einer Selbstsicherheit auf, zu der ihn seine gesellschaftliche Stellung ganz gewiss nicht berechtigte. Er trug dieses rockähnliche Kleidungsstück, das hier als >Kilt< bezeichnet wurde. Die Art, wie er den karierten Stoff über seinen schlichten Wollmantel drapiert hatte, erinnerte sie an eine römische Toga. Sein Kopf war unbedeckt; sein langes windzerzaustes Haar fiel ihm in dichten Wellen bis auf die Schultern. Die wollenen Strümpfe, die die Knie frei ließen, bewiesen, dass er weder über Kultur noch Geschmack verfügte, woran sie ohnehin nie gezweifelt hatte.
    Der Soldat setzte sein Verhör fort, während Leahs Kutsche weiterfuhr und sie sich in ihrem Sitz zurücklehnte.
    Doch kurz darauf tauchte der Reiter erneut auf, diesmal alleine. Eilig setzte er seinen Weg fort. Mit einem leisen Lächeln sah Leah ihm nach, ehe sie wieder ihren trüben Gedanken nachhing.
    Wenn sie doch nur nach Hause, in die Zivilisation zurückkehren könnte! Dieses Highlanderpack war der schlimmste Pöbel, der ihr je untergekommen war - eine mürrische, schmutzige, zerlumpte Horde von Barbaren. Genau wie der junge Reiter hatte keiner von ihnen Respekt vor gesellschaftlich höher gestellten Personen, außerdem waren sie für ihr aufbrausendes Temperament und den Hang, Zwistigkeiten sofort mit dem Messer auszutragen, bekannt. Ihr Vater hielt sie samt und sonders für Diebe und Lügner, daher wunderte es sie, dass der Dragoner den Jungen hatte laufen lassen. Bei der Eile, die er an den Tag gelegt hatte, musste er etwas gestohlen haben, das Pferd vermutlich. Kein Highlander konnte ein so edles Tier besitzen, und wenn doch, hatte er es bestimmt nicht auf ehrliche Weise erworben. Nein, er musste es gestohlen haben.
    Leah beschloss, bei der nächsten sich bietenden Gelegenheit mit ihrem Vater über den Vorfall zu reden. Dieser Dragoner würde erklären müssen, warum er den Jungen nicht festgenommen hatte. Vielleicht freute Vater sich, dass sie die Augen offen gehalten hatte, und nahm ihre Existenz endlich wieder zur Kenntnis.
    Während der nächsten Tage hielt sich Ciaran oft in der Kammer seines Vaters auf. Es gab Zeiten, wo der Laird völlig klar im Kopf war. Der Schmerz, den er so lange in Schach hatte halten können, überkam ihn jetzt in immer kürzeren Abstanden. Nur große Mengen Whisky und Weidenrindentee vermochten ihn zu lindern, und wenn der Schmerz nachgelassen hatte, war Pa auch im Stande, seine Familie bewusst wahrzunehmen. Mutter Sarah wich nicht von seiner Seite. Sie verließ ihn nur, um rasch ein paar Bissen zu essen und den Abort aufzusuchen. Manchmal schlief sie auf ihrem Hocker, den Kopf neben ihrem Mann auf die Matratze gelegt Die Zwillinge Kirstie und Mary kümmerten sich gleichfalls aufopfernd um ihren Vater, und auch Sìle besuchte ihn oft und brachte ihre kleinen Töchter mit. Die Frauen flößten ihm Suppe
    und gewürzten Wein ein, säuberten ihn, wenn er sich erbrach und fütterten ihn erneut. Ständig hielten alle nach Robbie Ausschau.
    Ciarans anderer Halbbruder Calum, fast acht Jahre älter als die Zwillinge und drei Jahre jünger als Sìle, ließ sich dagegen eher selten blicken. Nach
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