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Lee, Julianne

Lee, Julianne

Titel: Lee, Julianne
Autoren: Das Schwert der Zeit 04 - Die Erfüllung
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außen hin schien ihn der Zustand seines Vaters nicht sonderlich zu beunruhigen, er lachte nur und tat alles als halb so schlimm ab, aber Ciaran wusste, dass dies einfach nur Calums Art war. Er hatte ein sorgloses, unbekümmertes Naturell, und selbst die Krankheit seines Vaters fügte der Fassade keine Risse zu.
    Falls dies überhaupt möglich war, so schien sich höchstens seine nervöse Unrast noch zu steigern. Oft tigerte er in der Nische vor Pas Schlafkammer eine Weile auf und ab und ging dann ins Dorf hinunter, um sich abzulenken und vermutlich bei Deirdre Marc-Gregor, der Tochter des Kaufmanns Seumas Glas, Trost zu suchen. Danach kehrte er zurück, um kurz bei Pa hereinzuschauen, ehe ihn die bedrückten Gesichter und die traurige Stimmung wieder forttrieben — ins Dorf, ins Torfmoor oder sonst wohin.
    Ungefähr eine Woche nach seinem Zusammenbruch schien es Pa plötzlich besser zu gehen, und er konnte sich im Bett aufsetzen. Seine Familie schöpfte neue Hoffnung. Nachdem sich die Nachricht im Tal verbreitet hatte, traf ein wahrer Besucherstrom in der Burg ein. Der Laird empfing seine Clansleute in kleinen Gruppen, da er sehr leicht ermüdete.
    Der Schmied Donnchadh Matheson, Keith Rómach Campbell, der 1719 an Pas Seite gekämpft hatte, Ailis Hewitt, Aodán Hewitts Mutter und Donnchadhs Schwester sowie Seumas Glas MacGregor und seine beiden Söhne Alasdair und Seumas Og zählten zu den ersten Besuchern und blieben auch am längsten. Alle freuten sich, Dylan Dubh noch ein Mal zu sehen, denn jedem im Dorf schien klar zu sein, dass ihr Laird mit dem Tode rang.
    Auch einige Verwandte von der MacKenzie-Seite trafen unvermutet im Tal ein und konnten ihr Entsetzen über den Zustand des
    Lairds von Ciorram kaum verbergen. Sie waren gekommen, um mit Seumas Glas Geschäfte zu machen und blieben eine Weile im Dorf. Alasdair Og hatte seine beiden Söhne mitgebracht. William war in Ciarans Alter, Alasdair Crùbach, der seinen Spitznamen seinem Klumpfuß verdankte, ein Jahr jünger. Ciaran freute sich über den Besuch der MacKenzies, Vettern ersten Grades seiner Mutter, die früher in dem einen Tagesritt entfernten Dorf Killilan gelebt hatten und die er seit ihrer Rückkehr auf ihre Ländereien im Osten nur zwei Mal in zehn Jahren gesehen hatte.
    Die alten Familiengeschichten und der Austausch des neuesten Klatsches lenkte alle ein wenig von dem lähmenden Warten auf den Tod ab. Sie setzten sich am Kamin in der großen Halle zusammen, tranken Ale, genossen den wärmenden Feuerschein und unterhielten sich, wahrend die Nacht verstrich. Ciaran konnte sich an seine Mutter kaum noch erinnern, aber er liebte ihre Vettern als einen Teil von ihr, den er sonst nie kennen gelernt hätte.
    Zwei Tage später verschlechterte sich der Zustand des Lairds erneut. Ständig fragte er nach Robbie und wirkte jedes Mal enttäuscht, wenn ihm mitgeteilt wurde, sein jüngster Sohn sei unterwegs und müsse jeden Tag eintreffen.
    Die Zeit verging, und noch immer hielt der Laird hartnäckig am Leben fest. Das ganze Tal wartete gespannt, fast atemlos auf Neuigkeiten. Eine düstere Atmosphäre lag über dem Dorf, besonders aber über der Burg. Ciaran versuchte, seine innere Anspannung so gut es ging zu verdrängen. Sein Vater hatte ihn gelehrt, dass sowohl körperliche als auch geistige Anspannung einen Mann verwundbar machte. Doch auch er konnte nicht verhindern, dass er immer nervöser und reizbarer wurde und zu wünschen begann, alles wäre vorüber, obgleich er sich dieses Gedankens schämte.
    So war es nicht verwunderlich, dass er vor Wut schäumte, als Sìle eines Morgens mit aufgeplatzter Lippe und einem blauen Auge, das sie zu verbergen suchte, indem sie den Kopf gesenkt hielt, zum Frühstück in die große Halle geschlichen kam. Ciaran blickte
    von seiner Schüssel mit Haferbrei auf. Beim Anblick seiner verletzten Schwester legte sich ein roter Schleier vor seine Augen und schaltete jegliche Vernunft aus.
    »Ich bringe ihn um!« Ciaran Matheson sprang auf, warf seinen Löffel auf den Tisch und stürmte los, um sein Vorhaben in die Tat umzusetzen.
    »Nein, das darfst du nicht!« Sìle folgte ihm angsterfüllt
    »Wo steckt er?«
    »Ciaran!« Sìle griff nach seinem Ärmel, bekam jedoch nur sein Plaid zu fassen, das ihm von der Schulter rutschte.
    »Ich kann und werde es tun! Wo steckt der Kerl?« Ciaran zog das Plaid zurecht Ein junger Bursche, der einen Arm voll getrockneter Torfballen zum Kamin tragen wollte, hielt ihm die Tür auf. »Wo ist
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