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Lebkuchen und Bittermandel

Lebkuchen und Bittermandel

Titel: Lebkuchen und Bittermandel
Autoren: Jan Beinßen
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wissen.
    »Nun, es ist nicht direkt ein Roman«, gab Jakob nur zögernd preis. »Vielmehr ein …«
    Paul ging dazwischen: »Ich unterbreche euch nur ungern. Aber wir alle haben einen Bärenhunger, und Jan-Patrick braucht helfende Hände bei der Küchenarbeit.«
    Hilde löste sich schweren Herzens von der Plauderrunde und folgte Paul. Nur Klugmann und Jakob blieben beharrlich sitzen und vertieften sich wieder in ihr Gespräch. Als Paul mit seiner Begleiterin die Küche betreten wollte, war die Arbeit jedoch schon getan. Glück gehabt, dachte sich Paul, nahm sich aber vor, später zumindest beim Abräumen zu helfen.
    Gleich darauf wurde das Büfett eröffnet. Paul konnte kaum fassen, was sein Freund Jan-Patrick für ein relativ bescheidenes Gesamtbudget an Köstlichkeiten zusammengestellt hatte. Auf einer Anrichte standen eng an eng Platten und Schüsseln mit diversen kulinarischen Highlights.
    Der Küchenmeister wirbelte emsig umher, korrigierte die Anordnung der einen oder anderen Speise und erläuterte jedem, der es hören wollte (oder auch nicht), was er für den besonderen Abend gezaubert hatte: »Zunächst die Meerrettich-Suppe, für die Marien und ich gestern Abend schon fleißig Zwiebeln, Kohlrabi und Kartoffeln geschält und gewürfelt haben. Mit Butter angeschwitzt und mit Brühe 20 Minuten gesotten, habe ich sie püriert und mit Salz, Pfeffer, Petersilie und einem ordentlichen Schlag Meerrettich abgeschmeckt. Über Nacht blieb sie stehen, um schön durchzuziehen. Jetzt wird sie warm serviert, dazu nehmt ihr euch am besten ein, zwei Brezen.«
    Neben der Suppenterrine dufteten goldbraun gebratene Räucherforellenküchle in unmittelbarer Nachbarschaft zu einer Schale deftigem Kürbiskas, der aus Kürbisfleisch, Frischkäse, Crème fraîche, Schnittlauch und Gewürzen bestand.
    Je nach Appetit, Anstandsform und Kalorienbewusstsein bedienten sich die Gäste an der Tafel. Während Porschefahrer Til gleich beim ersten Durchgang zwei Teller bis zum letzten Fleck füllte, beließ es Sonja bei einem Salat mit Flusskrebsen. Paul selbst nahm, vom Hunger getrieben, einen großen Teller vom »handfesten Kartoffelgulasch«, wie Jan-Patrick seine betörend duftende Hauptspeise tiefstapelnd nannte.
    Die Altschüler verteilten sich an verschiedene Tische in dem verwinkelten Gasthaus. Die Töne, die aus allen Richtungen kamen, waren aber gleich: »Mmmmm!«, »Oho!«, »Ahhh!«, »Köstlich, einfach köstlich.«
    Giulia labte sich, anstatt noch einmal aufzustehen, am Teller ihres Mannes Rüdiger und rief Jan-Patrick quer durch den Raum ein Kompliment zu: »Jan-Patrick, Sie sind ein Meister! So gut habe ich lange nicht gegessen.« Das sollte etwas heißen, wusste doch jeder hier, dass Giulias Vater selbst Gastronom war und eines der besten italienischen Restaurants in ganz Nürnberg betrieb.
    Das zufriedene Schmatzen, Schlürfen und Kauen unterband für eine Weile jede weitere Diskussion und wurde erst beendet, als ein ersticktes Husten die gesellige Schlemmerharmonie durchbrach. Es ging von Jakob aus, der aufgestanden war und nun in gekrümmter Haltung dastand. Er röchelte und stieß kehlige Laute aus. In der Hand hielt er – einen Lebkuchen.
    Auch andere Gäste erhoben sich von ihren Plätzen und wandten sich ihm besorgt zu. Was tun? Paul fackelte nicht lange und klopfte Jakob auf den Rücken, damit sich das Lebkuchenstückchen in seinem Hals lösen konnte.
    Doch das half nichts. Jakob hustete weiter. Erst heftig, bald schwächer werdend. Seine Gesichtsfarbe wandelte sich von einem gesunden Rot in ein alarmierendes Dunkelblau. Nun klopfte ihm auch der kräftige Til auf die Schultern. Zwecklos. Jakob hechelte nach Luft. Katja schob ihm einen Stuhl unter, auf den er sich sogleich sinken ließ.
    Jakob holte noch einmal tief Atem, dann sackte er wie unter Krämpfen zuckend in sich zusammen. Der Lebkucken entglitt seiner erschlaffenden Hand und rollte über die Holzdielen des Fußbodens.

5
    Mit dem Notarzt traf die Polizei ein, die Paul vorsichtshalber informiert hatte. Denn dass jemand an einer von Jan-Patricks Speisen starb, kam ihm keineswegs fränkisch, sondern schon eher spanisch vor.
    Wie der Zufall so spielt, dachte Paul: Denn an diesem frühen Samstagabend versah Kriminaloberkommissarin Jasmin Stahl ihren Dienst und repräsentierte die Nürnberger Kripo. Das Erste, was die drahtige Rothaarige unternahm, nachdem sie sich einen Überblick verschafft und sich mit dem Arzt beratschlagt hatte, bestand darin, Paul beiseite zu
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