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Lebkuchen und Bittermandel

Lebkuchen und Bittermandel

Titel: Lebkuchen und Bittermandel
Autoren: Jan Beinßen
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der windschiefen Altstadthäuser gegenüber, und als Paul tief Luft holte und wieder ausatmete, kondensierte sein Atem zu einer dampfenden Wolke.
    Katinka hakte sich bei ihm unter, was Paul zum Anlass nahm, um sie nach einem Detail der letzten Nacht zu fragen, das ihm im Kopf herumspukte: »Als du Udo damit konfrontiert hast, dass Klugmann ihn in einem Brief belastet hat, war ich ziemlich überrascht. Wie und wann hast du denn diesen Brief gefunden, und warum hast du mir nichts davon erzählt?«
    »Jede Frau hat ihre Geheimnisse«, wich ihm Katinka mit einem schelmischen Lächeln aus.
    »Nun sag schon«, drängelte Paul. »Was genau stand in Klugmanns Botschaft?«
    »Nichts«, sagte Katinka und lächelte noch immer.
    »Wie? Nichts?« Paul blieb stehen und schaute ihr direkt in die Augen. »Willst du damit sagen, dass es ein …«
    »… ein Bluff war, ja!«, rückte Katinka mit der Wahrheit heraus. »Einen solchen Brief hat es nie gegeben. Genau genommen hatte ich überhaupt nichts Greifbares gegen Udo in der Hand.«
    »Dann hast du aber hoch gepokert«, meinte Paul.
    »Und gewonnen!«, antwortete Katinka zufrieden.
    Paul blickte sie anerkennend an. »Somit ist es dir gelungen, einen Fall zu lösen, bei dem ich selbst seit mehr als 25 Jahren nicht weitergekommen bin. Ich kann es noch immer nicht glauben. Dann hat Udo den armen Torben damals tatsächlich absichtlich in den Tod gestoßen. Nur, weil der seiner Freundin schöne Augen gemacht hat.«
    »Ich denke, ein wenig mehr hat wohl schon dahintergesteckt«, meinte Katinka, »Ich kann mir gut vorstellen, dass Torben kurz davorstand, ihm Sonja auszuspannen. Da drehte Udo einfach durch. Eine verhängnisvolle Kurzschlussreaktion, geboren aus der Heißblütigkeit der Jugend.«
    »Womit er Sonja nur noch fester an sich geschweißt hat«, folgerte Paul.
    Katinka nickte. »Ebenso wie Jakob, denn der hatte seit diesem Vorfall einen Heidenrespekt vor Udo und traute sich nicht, bei der Polizei gegen Udo auszusagen. Zumal er damit rechnen musste, dass ihm Udo und Sonja widersprechen würden, denn Beweise für die Tat gab es ja keine.« Sie nahm ein paar tiefe Züge der kalten Winterluft, bevor sie weitersprach: »Es gibt allerdings noch eine andere Variante.«
    »Ich bin ganz Ohr«, sagte Paul gespannt.
    »In dieser zweiten Variante wäre Torben der eigentliche Bösewicht.«
    »Torben – der Skitote?« Paul sah sie fragend an.
    Katinka lächelte süffisant: »Wir dürfen seine Rolle nicht auf die des Opfers beschränken. Bei allem, was ich über ihn erfahren habe, war er ein erfolgsverwöhnter Mädchenheld. Ganz und gar von sich eingenommen. Ich könnte mir vorstellen, dass Torben während des Ski-Abstechers aufs Ganze gehen wollte und Sonja gegenüber zudringlich wurde. Sie wehrte sich gegen seine Belästigungen und stieß ihn daraufhin versehentlich in den Abgrund.«
    »Das würde erklären, weshalb sie vorhin so aufgebracht reagiert und gerufen hat: ›So war es nicht, so war es nicht!‹«
    »Genau. Wenn es sich damals so abgespielt hat, hat Udo wahrscheinlich sofort die Chance seines Lebens erkannt und angeboten, die Sache für Sonja zu regeln. Seine Aufopferungsbereitschaft musste sich Sonja damit erkaufen, dass sie sich fortan nur noch ihm hingab und ihn letztlich auch heiratete. Und Jakob wurde als Mitwisser zum Schweigen verdonnert.«
    »Starker Tobak«, meinte Paul. »Dann muss das Gewissen Jakob all die Jahre fürchterlich gequält haben. In seinem neuen Buch wollte er sich diese Last wohl endlich von der Seele schreiben und sich der Situation stellen.«
    »Richtig«, bestätigte Katinka, »und auch seinen alten Lehrer Klugmann, der wohl schon die ganze Zeit etwas geahnt hatte, zog er letztendlich ins Vertrauen.«
    »Was dessen Todesurteil gleichkam«, sagte Paul matt.
    »Leider ja. Udo konnte beziehungsweise wollte es nicht zulassen, dass das dunkle Geheimnis von Sonja und ihm aufgedeckt und weitere Kreise ziehen würde.«
    »Und genau diese Triebkraft machte ihn zum Mörder! Den Lebkuchenanschlag muss er schon weit vor unserem Treffen geplant, sich das Gift besorgt und es dann eiskalt zum Einsatz gebracht haben. Aber ob er auch den Mord an Klugmann von vornherein ins Kalkül gezogen hatte – ich weiß es nicht.«
    »Ich denke eher nicht. Klugmann hat er erst im Laufe des Abends als Sicherheitsrisiko erkannt und dann die Gunst der Nachtstunde genutzt, um ihn mundtot zu machen. Im wahrsten Sinne des Wortes. Ich bin zuversichtlich, dass uns die Verhöre schon sehr
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