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Lebensversicherung (German Edition)

Lebensversicherung (German Edition)

Titel: Lebensversicherung (German Edition)
Autoren: Harald Schnare
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Seite.
    - Mit der Definition des Hirntodes haben sie sich ein
Hintertürchen geöffnet, indem sie die Entnahme von bis zuletzt durchbluteten
Organen bei Toten zulassen. Eigentlich sollte man Tote hier in
Anführungszeichen setzen.
    Besser sollte man von `lebenden Hirntoten´ sprechen, denn
niemand kann wissen, ob in dem beatmeten Organismus der Sterbeprozess wirklich
abgeschlossen ist.
    Wir müssen uns doch fragen, nachdem wir zu der Überzeugung
gelangen können, dass Menschen mit irreversiblem Ausfall der Hirnfunktionen
noch lebend sind, ob wir ihnen einen vorsätzlichen lebensbeendenden Eingriff
zumuten dürfen. Wir müssen uns doch fragen, ob eine Vorverlegung des
Todeszeitpunktes im Dienste der Transplantationsmedizin ethisch und moralisch
vertretbar ist?
    Ich glaube, wir zwei haben da kein Problem, nicht wahr? Wir
wollen keine Zombies.
    Aber wie ist das mit zum Tode verurteilten bereits
Hingerichteten und für tot erklärten lebenden Toten?
    Verdammt, ja, ich habe da ein Problem! Und deshalb sagen
sie´s uns nicht.
    Schmid stand auf und setzte sich wieder hin.
    - Man kann den Menschen doch nicht nur als ein aus Teilen
zusammengesetztes Ganzes sehen. Man kann Gehirn und Körper doch nicht
voneinander trennen. Hier ist die These doch mehr als gefährlich, die das
Menschsein nur an die Fähigkeit zum Bewusstsein bindet.
    Gerade die Empfehlung der amerikanischen Medical Association
kann ich nicht gelten lassen, die ohne Großhirn geborene Kinder zur
Organentnahme freigeben will. Das heißt doch nichts anderes, als dass unsere
Definition von Hirntod eingeschränkt wird. Nicht wahr, dass bereits bei Funktionsausfall
des Großhirns der Tod eingetreten ist und Organe gewonnen werden dürfen?
    Das heißt es. Zombies für die Medizin!
     
    Schmid zog die Brauen hoch und formte mit dem Mund ein O.
     
    - Und ich denke, gerade das findet bei Hingerichteten statt.
Wenn man so will und auch ein bisschen zynisch wäre, dann könnte man die
gesamte Haft in der Todeszelle, die Zeit von der Verurteilung bis zur
Hinrichtung, als intensive medizinische Vorbereitung zur Organentnahme
betrachten, um optimale Voraussetzungen für die Transplantation zu schaffen.
Kein Kontakt, keine Berührung, keine Ansteckung.
    Nicht rauchen, bitte! Seit 1995 sind die Gefängnisse in Texas
zur Rauchfreien Zone erklärt.
    Für mich ist klar: Angesichts des hohen Organbedarfs sind die
Todeskandidaten ein Spekulationsposten, an dessen Verringerung kein wirkliches
Interesse besteht. Der lebende Mensch als Rohstoff, nicht wahr?
    Mich wundert es nicht, dass die USA die
UNO-Kinderrechtskonvention nicht unterschrieben haben, die die Hinrichtung von
Jugendlichen verbietet, welche zur Tatzeit noch keine 18 Jahre alt waren.
    Tatsächlich exekutieren sie Verurteilte, die unter die
Konvention fallen. Nach Umfragen sähen tatsächlich viele Amerikaner Kinder in
den Todeszellen ganz gern. Wer alt genug zum Töten ist, ist alt genug zum Sterben.
    Die Gouverneure von Kalifornien und New Mexico möchten sogar
14- und, ja,  13-jährige hinrichten lassen. In Los Angeles gibt es einen Staatsanwalt,
dem das Alter egal ist. In Texas diskutierte ein Abgeordneter seinen Vorschlag,
schon 11-jährige Mörder hinzurichten, sobald sie alt genug sind.
    Alt genug, dass man ihre Organe brauchen kann? Denk an
Josephs wissenschaftliche Arbeit, und dir wird deutlich, dass man keinen
Skrupel kennen wird. Der Patient steht im Dienst der Medizin, und nicht, wie es
sein sollte, die Medizin im Dienste des Patienten. Wie ich schon sagte, der
Mensch als Rohstoff!
    Jetzt musste Schmid Luft holen.
    - Siehst du, das hat Joseph herausgefunden und auch Karl hat unfreiwillig
es gewusst. Beide sind tot. Sie wurden ermordet und, wenn die Brüder da oben
von uns wüssten, wären wir auch keinen Pfifferling mehr wert. Auch Wagner hat´s
in seiner Geschichte erzählt. Und wo isser heute?
    Viele, die widersprochen haben, sind wahrscheinlich tot. Und
es werden noch viele folgen. Glaub´ es mir, wir behalten unser Wissen, auch
wenn es nur auf Indizien beruht, besser für uns und ziehen unserer Wege.
    Schmid stand auf und räumte seine Papiere und die Bibel weg.
     
    Er blieb in seiner Kajüte.
     
    Er hatte alles gesagt.
     
    Nach einiger Zeit winkte ich Charlie, und sie kam mit dem
Dinghi vom Strand, mich zu holen.
    Erich stand an der Reling. Er winkte uns zum Abschied.
    - Übrigens, ich habe Karl gekannt. Wir ankerten letztes Jahr
hier zusammen. Es tut mir leid um ihn.
    Wir fuhren zurück zur Lady Ann
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