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Lebensversicherung (German Edition)

Lebensversicherung (German Edition)

Titel: Lebensversicherung (German Edition)
Autoren: Harald Schnare
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, die im Abendlicht
friedlich vor ihrem Anker lag.

19 .
     
    Es war einige Tage vor Karla Faye Tuckers Hinrichtung in
Huntsville, Texas.
    Jeff hatte an diesem schönen Wochenende frei gehabt und die
Zeit genutzt, mit seinem alten Freund Buddy Fisher angeln zu gehen.
    Bud hatte seinen altersschwachen Pickup mit allem nötigen
beladen und Jeff zu Hause abgeholt. Er war ganz froh gewesen, dem Rummel zu
entgehen.
    Huntsville glich in diesen Tagen einem Zigeunerlager. Aus
allen Teilen der Welt waren Reporter und Fernsehteams eingefallen und Pro- und
Contra-Gruppen für und gegen die Todesstrafe verstopften die Straßen mit ihren
Transparenten und Gebeten.
    Karla Faye Tucker hatte es verstanden, die Medien auf sich
aufmerksam zu machen. Natürlich, Jeff verstand das. Karla war heute ein Star.
Sie war attraktiv und strahlend. Ihre Art, so offen in die Kameras zu blicken,
begeisterte die Fotografen.
    Und dann die Masche mit der Religion. Jeff wusste nicht, ob
das wahr war oder was. Es war ihm auch egal. Wie auch immer, sie hatte sich in
den vierzehn Jahren hier im Trakt verändert. Da war nichts mehr von dem übrig,
was sie vorher gewesen war.
    Karla hatte ganz offen über alles geredet. Mit Acht hatte sie
das erste Mal Marihuana geraucht, mit Zehn Heroin gespritzt. Schon mit Dreizehn
ging sie mit Männern aufs Zimmer. Ihre Mutter hatte sie zur Prostitution
angestellt, und Männer, Waffen und Drogen gehörten zu ihrer Jugend. 1983 war es
dann soweit. Nach einer Orgie mit Drogen und Alkohol zerhackte sie mit ihrem
Freund einen Menschen. Als der tot war, tauchte unter der Bettdecke eine
zitternde Frau auf. Deborah Thornton, eine Mutter von zwei Kindern. Karla
führte den ersten Schlag. Später zählte der Gerichtsmediziner 20 Wunden.
    Karla sagte, sie hätte bei jedem Schlag einen Orgasmus
gehabt.
    Jeff wusste das alles, aber, verdammt nochmal, heute war sie
so sympathisch.
    In drei Tagen sollte sie sterben, und Jeff machte sich nichts
vor. Ihr Tod war von ganz oben bestimmt worden.
     
    Sie waren in das Örtchen Riverside gefahren am Lake
Livingston. Bud hatte hier sein Boot liegen und Jeff freute sich immer, wenn er
das Gefängnis hinter sich lassen konnte und nichts anderes zu tun brauchte, als
auf das Wasser zu starren. Jeff hatte sich nie ein eigenes Boot gekauft. Er
mochte es viel lieber, wenn Bud ihn mitnahm.
    Heute waren sie den See hinaufgefahren bis an die Mündung des
Trinity River.
    Normalerweise redeten beide nicht viel miteinander. Sie kannten
sich schon zu lange. Aber heute war das anders. Jeff konnte sich nicht recht aufs
Angeln konzentrieren. Die Umstände in der Stadt und die Tatsache, dass am
Dienstag die erste Frau seit 130 Jahren in seinem Gefängnis sterben sollte,
machte ihm doch mehr zu schaffen, als er sich eingestehen wollte.
    Aber es war so. Er würde dabei sein, er würde sie auch
anschnallen, und er wünschte, er würde krank werden.
    - Hey, Buddy, sag ´was.
    Bud schob seinen Priem in der Backe zurecht. Er spuckte ins
Wasser. Jeff zweifelte, ob der Tabaksaft die Fische anlocken würde, wie Bud das
immer behauptete. Er selbst machte sich nichts aus dem Zeug. Wenn dir einmal
davon schlecht geworden ist, lässt du´s!
    - Du weißt, es ist so wie es ist.
    Bud war Anwalt gewesen. Er hatte alles mitgemacht.
Strafverteidigung, Zivilprozesse, Schadensersatzklagen. Pflichtverteidigung,
auch Todesurteile. Alles. Seit ein paar Jahren war er nun retired ,
Rentner. Und er war froh darüber. Nicht, dass er sich nicht noch interessierte.
Nein, den Kick brauchte er manchmal. Ein Mensch muss sich aufregen, sagte er
immer, das hält gesund.
    Bud war gesund geblieben, und er verdankte das dem
amerikanischen Rechtssystem. Es hatte ihn immer aufgeregt.
    - Es war schon richtig, dass sie ´67 die Todesstrafe
aufhoben. Sie war willkürlich gewesen und damit ungesetzlich. Vor allem wurde
sie gegen Schwarze angewandt und verstieß auch gegen den achten
Verfassungszusatz, wonach niemand grausam und ungewöhnlich bestraft werden
darf.
    Bud spuckte wieder ins Wasser.
    - Okay, heute sind´s auch hauptsächlich Schwarze, aber auch
Weiße.
    Natürlich, wer Geld hat und sich den richtigen Anwalt leisten
kann!
    Es ist doch so, dass die Angeklagten die Verteidigung
bekommen, für die sie bezahlt haben. Wer weiß das besser als ich? Wie viel
mangelnde Rechtskenntnis und unzureichende Vorbereitung der Strafverteidiger
haben nicht schon zu einem Todesurteil geführt? Die unzureichende Bezahlung
reißt keinen Pflichtverteidiger vom
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