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Lebenslauf zweiter Absatz

Lebenslauf zweiter Absatz

Titel: Lebenslauf zweiter Absatz
Autoren: Hermann Kant
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leider, dürfe der Germane keine Waffen führen. Allenfalls in der Schützengilde. Im eingetragenen Verein. Im Bumerang-Verein zum Beispiel oder im Armbrust-Verband. Wie denn, was denn, in Nordwestmecklenburg gebe es – oh, immer diese vierzig Jahre! – nichts dergleichen? Schlimm, doch könne man das ändern, man werde sehen. Gut, beim Bumerang gebe es Probleme; der sei ein befremdliches Instrument, entlegen wie die Territorien seiner Ursprünge, Australien, Afrika, Amerika. Zu weit für Reisen zu Paten- und Partnerverbänden, extrem kostenungünstig.
    Ganz anders die Armbrust. Mit ihr komme die abstechernahe Schweiz ins Bild, das Wilhelm-Tell-Land gleich nebenan. Nach einem Blick über den Tellerrand sei es mit einem Sprung über diesen erreichbar. Über den TELLerrand sozusagen. Und so zu schreiben. Wenn er an ihrenkünstlerischen Einsatz bei Schiller denke, gelüste es ihn, die Armbrust nicht nur eine intelligente Waffe zu nennen, sondern auch das Wort
intelligent
mit einem herausgehobenen
TELL
zu versehen.
    Korinthenkacker – er habe einige beste Freunde am Golf von Korinth und verwende den Begriff nicht fremdenfeindlich –, Korinthenkacker könnten aus dem Tell-Wort, der Starke sei am mächtigsten allein, eine Neigung des Dichters zum Führerprinzip ableiten wollen, aber das beiseite. Er sei so wenig Dramenkritiker wie Korinthenkacker, allerdings sei er Letzteres sehr wohl, wenn es in den von ihm betreuten Haushalten ums Haushalten gehe. Um Einnahmen, Ausgaben, Gewinn, Verlust, Erwerb und Beleg. O ja, auch bei geringsten Zettelchen, aus deren Ordnung früher oder später Geldeswert springe, sei er ein wenn nicht Korinthen-, so doch Krümelkacker. Dem Kleineigentum verpflichtet, diene er, indem er es prüfend mehre und mit Rat in Steuersachen nicht geize, zugleich dem Gemeinwohl.
    Über Krümel und Häuflein denke er hinaus und habe sie als Haufen im Auge. Als angehäuftes Gut, das freilich andere alsbald begehrten. Das wohne dem Menschen inne. Weshalb Besitz geschützt sein wolle. Nicht mit Pulver und Blei, vielmehr durch Ideelles. Durch Ansehen und Geltung, durch einen ideellen Harnisch, der auch Image heiße. Jeder seines Glückes Schmied, das sage sich leicht, aber jeder ein Maler seines Bildes, das liege auf der Hand. Reputation sei ein per Eigenleistung erschaffbares Gut. Im hier verhandelten Falle durch die Gründung eines eingetragenen Armbrustschützen-Verbandes. Eines Vereins, dessen Wirken das Werden der Werte in Bleicken begleiten werde, bis die Gemeinde und ihre Bürger mitdem Ruf eiserner Unangreifbarkeit ummantelt seien. – Keine Sorge, es gelte nicht, sie nach dem Bilde Wilhelm Tells zu modeln und armbrustbewehrt auf Posten zu schicken, es gehe einzig um ihren Ruf, im Besitz von feindabweisenden Fertigkeiten zu sein, die sie beim Sehnenziehen und Zielerfassen erworben hätten.
    Liebe Leser – ob Sie nun in Z. wohnen, wo ich am Ende der aufrüttelnden Fahrt in den Vorleseraum hinkte, oder in Orten zu Hause sind, die an Straßen erster Ordnung liegen –, liebe Leser, ehe Sie mich fragen, ob der Roman schon in Arbeit sei, für den ich von Hinnerk ausgerüstet wurde, und ehe ich von dessen Vorwort zu den Notizen übergehe, mit denen er das Wirken des Jason Passwang im zweiten Teil seiner Botschaft angedeutet hat, muss das Folgende mir vom Herzen:
    Wie viel auch gegen den Bogenspanner aus Itzehoe sprechen mag, eines sei ihm gutgeschrieben: Die Einleitung in mäkelndem Sütterlin, mit der Freund Hinnerk mir aus der manieristischen Patsche helfen wollte, und sein Bericht vom Sichter und Stifter Jason Passwang sind mir gut bekommen. Ich spreche von meiner Lese-Anreise, die bei rabiatestem Zipperlein über Stock und Steine ging und bei der mir über die unablässige Gicht hinaus eine Gischt aus Splitt ab und an unflätige Flüche abpresste. Des Freundes Vorspann und mein erinnerndes Bemühen um den Text waren fordernd genug, den Schmerz und die Wut nennenswert einzudämmen. So sehr ich auch globale Entspannungen begrüße, diese lokale hätte ich in höchsten Spaliertönen bejubeln mögen.
    Da es vor allem um den Buchprüfer und nicht um mich geht, will ich mein Treffen mit den märkischen Lesern zurückhaltend bewerten. Ganz ohne das geht es nicht,weil mich die freundliche Aufnahme auf dem Heimweg zu einem unerfreulichen Verdacht bewegen wollte, der mit einer überaus erfreulichen Wahrnehmung einherging: Kurz nach der am Abend verkehrsarmen Umfahrung von Oranienburg war mir, als ziehe sich das
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